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Im Frühjahr 2012 wurde der Dr.-Karl-Lueger-Ring in Universitätsring umbenannt.

Foto: REUTERS/HEINZ-PETER BADER

Zwei Jahre lang hat eine Expertenkommission im Auftrag der Stadt Wien die Biografien von Persönlichkeiten untersucht, nach denen in Wien Straßen benannt sind. Es wurde überprüft, ob sie historisch belastet sind. Am Mittwoch wurde der 350-Seiten-Bericht veröffentlicht.

Das Ergebnis: 159 von 4.359 personenbezogenen Verkehrsflächen weisen eine "kritische Benennung" auf. Das heißt, dass diese Personen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte problematische Einstellung zum Antisemitismus, beziehungsweise dem Nationalsozialismus hatten. Unter den untersuchten Personen waren etwa Karl Renner, Ignaz Seipel oder Julius Raab.

Intensiver Diskussionsbedarf

Die kritischen Straßennamen wurden von der Kommission in drei Kategorien gewichtet. 28 Personen wurden Kategorie A zugeteilt. Diese ist die Schlüsselgruppe, bei der es intensiven Diskussionsbedarf gibt und man nicht zur Tagesordnung übergehen sollte, erklärte der Historiker und Kommissionsleiter Oliver Rathkolb bei der Präsentation des Berichts. Prominente Fälle in dieser Kategorie sind Karl Lueger und Ferdinand Porsche.

Bei 56 Fällen in der Kategorie B stellte die Kommission Diskussionsbedarf fest. Bei diesen Personen konnte punkteller Antisemitismus, beziehungsweise eine anti-demokratische Haltung attestiert werden. In Kategorie C fallen 75 Personen, bei denen es demokratiepolitisch relevante Lücken gibt. In diesen Kategorien befinden sich etwa Julius Tandler, Adolf Schärf, Lorenz Böhler und Josef Weinheber.

Umstrittene Umbenennungen

Vorschläge für Straßenumbennungen wie beispielsweise jene des Lueger-Rings (derStandard.at berichtete) im Frühjahr 2012 gab die Historikerkommission nicht ab. "Das Instrument der Umbenennung ist nicht unumstritten", sagt Rathkolb. Damit werde Geschichte ausgelöscht oder schöner gefärbt, als sie ist. Ähnlich sieht das auch Kulturstadtradt Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ).

Geschichte bewusst machen

Laut Mailath-Pokorny gehe es bei der Untersuchung der Straßennamen vor allem darum, die Geschichte der Stadt in einen historischen Zusammenhang zu stellen. Dadurch soll man Geschichte bewusst gemacht und der Bevölkerung gezeigt werden, woher die Straßennamen kommen.

Zusatztafeln und künstlerische Interventionen

Dieser Prozess soll beispielsweise durch Zusatztafeln an Straßenschildern, Informationen im Internet oder künstlerische Interventionen in Gang gesetzt werden. Der grüne Gemeinderat Klaus Werner-Lobo hingegen kann sich Umbenennungen in Ausnahmefällen vorstellen. Eine Tafel soll dann darauf hinweisen, wie die Straße früher geheißen hat.

Empfehlungen vonseiten der Stadtregierung gibt es noch keine. "Es muss ein öffentlicher Diskurs darüber stattfinden, wie mit einzelnen Straßennamen umzugehen ist", sagt Werner-Lobo.

Politische Konsequenzen

Politische Konsequenzen aus den Ergebnissen gibt es aber dennoch, sagt Mailath-Pokorny. Im Juni wurde im Gemeinderat ein Beschluss über künftige Verkehrsflächenbenennungen gefasst. In Zukunft soll wie berichtet eine historische Vorabprüfung durchgeführt sowie der Gendergerechtigkeit nachgekommen werden. Zudem sollen mehr Straßen nach Frauen und Migranten benannt werden. (elm, derStandard.at, 3.7.2013)