Josef Weinheber war zweifellos ein bedeutender österreichischer Dichter, und er war zwei- fellos ein Nazi. Das NS-Regime dankte es ihm mit zahlreichen Ehrungen, während es andere Dichter, wie Theodor Kramer, in die Emigration trieb oder, wie Richard Zach, ermordete. Josef Weinheber wusste natürlich Bescheid über seine verschwundenen Kollegen, und er zog es am Ende vor, mit dem Dritten Reich unterzugehen, statt den Rest seines Lebens reumütig die Rolle des Verblendeten im Erwachsenenalter zu spielen.

Er konnte ja nicht ahnen, dass ihm zu Ehren dreißig Jahre nach dem Krieg eine in der nationalsozialistischen Zeit geschaffene Büste aufgestellt werden würde.

Als der Weinheber-Kopf durch unbekannte Hand von der Stele abgeräumt war - wir reden hier vom Jahr 1991, fünf Jahre nach der Waldheim-Affäre, drei Jahre nach dem "Bedenkjahr" 1988, bei dem das offizielle Österreich sich zur Mitschuld am Dritten Reich zu bekennen begann -, hätte man die Chance gehabt, ein paar Dinge geradezurücken. Stattdessen hat man das Denkmal fortifiziert und einen neuen Abguss der alten Büste angefertigt, der nun nicht mehr so einfach entwendet werden konnte. Und so steht Weinheber, den man im Dritten Reich zum Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste gemacht und in die "Gottbegnadeten-Liste" der wichtigsten NS-Künstler aufgenommen hatte, immer noch dem Akademiegebäude zur Seite, als gelte es, der alten Ehre die Treue zu halten.

Die Künstler der Plattform Geschichtspolitik haben auf die Provokation, die dieses Denkmal darstellt, ausgesprochen zurückhaltend reagiert. Sie haben es nicht geschändet, abgerissen oder, wie es schon vorgekommen war, mit Hakenkreuzen beschmiert, sondern sie haben bloß seine Geschichte freigelegt, die letztlich die unrühmliche Geschichte des Umgangs der Zweiten Republik mit unserer NS-Vergangenheit ist. Die kleine Wunde in der Grünfläche des Schillerplatzes ist eine Metapher für die große Wunde, die der Nationalsozialismus in der österreichischen Geistesgeschichte hinterlassen hat.

Die für die Aktion Verantwortlichen wollten, nach eigener Darstellung, "die Frage aufwerfen, wie das vorhandene Nazi-Denkmal umzugestalten ist." Es war nicht nur eine Frage, sondern gleichzeitig ein origineller und triftiger Vorschlag. Und was macht die Gemeinde Wien? Anstatt die Frage aufzugreifen und den Vorschlag zur Debatte zu stellen, schüttet sie alles wieder zu.

Vertuschermentalität

Darauf kann es eigentlich nur eine Antwort geben: Man muss auch den Sockel dieser Mentalität freilegen, die meint, immer noch vertuschen zu müssen, dass die österreichische Kulturgeschichte zutiefst in die Barbarei des Nationalsozialismus verstrickt war. Der Beitrag der Geistigen, zu denen sich Weinheber zählte, ja deren literarischer Anführer er gerne gewesen wäre, ist nicht nur zu messen an den Worten, die sie hinterlassen, sondern auch an der öffentlichen Haltung, die sie verkörpert haben. (Josef Haslinger, DER STANDARD, 3.7.2013)