Auch wenn die Kollegen in der Redaktion ob des Einsers vor der Null bloß milde lächeln, wenn ich ihnen von meinem Kummer erzähle: So ein zehnjähriges ­Maturatreffen hat ein gewisses präventives Traumatisierungspotenzial. Denn, Hand aufs Herz: Es ist zwar schön, alte Skikurs-Fotos und die ­Maturazeitung anzuschauen, aber eigentlich ist so ein Klassentreffen doch eher eine Leistungsschau.

Jetzt sind zehn Jahre zwar nicht viel Zeit, um Vermögen anzuhäufen, mit dem man ungeniert prahlen kann. Aber Kinderkriegen, das geht sich allemal aus. Und fürwahr, meine Maturakollegen, männliche wie weibliche, haben die zehn Jahre seit unserer Reifeprüfung eifrig zur Fortpflanzung genützt.

Was hat man vorzuweisen?

Freundin H. und ich trafen uns also zur Beratung: Was tun, wenn sie alle mit ihren Babybäuchen und den Fotos von den süßen Zwergen daherkommen? Was hätten wir dann im Gegenzug vorzuweisen - einen mäßig bezahlten Job, eine mit Ikea-Kram vollgestellte Mietwohnung und Anekdoten von übermäßigem Spritzer-Konsum?

Wir waren am Rande der Verzweiflung angelangt, als H. endlich die rettende Idee hatte: Katzenfotos! Die kommen doch immer gut an, und wie es der Zufall so will, hat sie auf ihrem Handy eine richtige Stubentiger­-Galerie. Na großartig, antwortete ich, was soll ich dann mangels Katzen herzeigen? Etwa Fotos von meinen Lieblingsschuhen?

Mit gemischten Gefühlen betraten wir den Ort, an dem das Wiedersehen stattfinden sollte. Da war er, der Babybauch - es ist schon das Zweite! Es gibt sie tatsächlich, die Menschen, die mit Ende 20 schon am Ende ihrer Familienplanung stehen, dachte ich - leicht beschämt angesichts meiner völligen Planlosigkeit. Ich rettete mich in Erinnerungen an die gute, alte, sorgenlose Schulzeit: Da sind sie ja, die Fotos vom Skikurs. Diese Frisuren! Diese Hosen! Und was für furchtbare Musik wir damals gehört haben!

Ein Schnapserl hilft

Dann folgte das unvermeidliche wechselseitige Lebens-Update inklusive Offenlegung des jeweiligen Familienstandes. Zwischendurch blätterten wir ein bisschen in der Maturazeitung. Die Stunden vergingen, alle entspannten sich, wer keinen Babybauch hatte oder nicht in den nächsten Stunden stillen musste, trank ein Schnapserl.

Als wir das Lokal wieder verließen, stellten H. und ich verblüfft fest, dass wir den Eltern in unserer Runde unrecht getan hatten. Wir sahen kein einziges Babyfoto. Aber die Katzen! So süß. (Andrea Heigl, Family, DER STANDARD, 2.7.2013)