"Der Antrag zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist offenbar Amtsgeheimnis! Ein Treppenwitz."

Foto: Christian Müller

STANDARD: Warum ist die Abschaffung des Amtsgeheimnisses wichtig?

Barth: Politik trifft ihre Entscheidungen auf Grundlage von Informationen. Wer sich hinter dem Amtsgeheimnis verstecken kann, kann Informationen nach politischen Gesichtspunkten filtern. Damit kann die Grundlage von Politik verändert werden. Informationsfreiheit ist ein Bürgerrecht. Die Informationen des Staates gehören den Bürgern, die Verwaltung verwaltet sie nur. Die Bürger sind der Souverän des Staates. Es stellt sich also vielmehr die Frage: Mit welchem Recht verweigert der Dienstleister dem Auftraggeber die Auskunft?

STANDARD: Die Regierung hat sechs Monate an einem Beschluss gearbeitet, jetzt wurde zurückgezogen. Was ist da passiert?

Barth: Die Regierung verwechselt da etwas. Ein durchsichtiges politisches Manöver hat nichts mit echter Transparenz zu tun. Die Regierung hat noch vor fünf Wochen einen Antrag im Parlament versprochen. Nun hat sie dieses Versprechen gebrochen ohne dass neue Fakten auf dem Tischen liegen. In Wahrheit hat man die Bürger sechs Monate lang hingehalten und sich dafür auch noch gute Presse abgeholt. So kann man etwas auch zu Tode umarmen.

Das lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder hat man damals nicht erkannt, dass eine Verfassungsänderung doch eine erhebliche Änderung der Rechtsordnung ist. Nachdem die Regierung das aber sicher weiß, muss etwas anderes dahinter stecken. Was, das müssen Sie Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) fragen. Vielleicht kennt er ja den wahren Grund warum sein Klubobmann die Einigung ausgehebelt hat.

STANDARD: Ging es den Parteien denn um die Sache?

Barth: Kurz hat das zumindest ein halbes Jahr lang aufrichtig beteuert, als er unsere Idee unterstützt hat. An dem Tag, an dem seine Partei die Sache abgedreht hat, hat er auffällig laut geschwiegen. Das Kanzleramt bedauerte... – und das war’s. Wenn zwei Regierungsparteien so um eine Sache kämpfen, die ihnen wirklich wichtig ist, tut man sich schwer denen etwas zu entgegnen, die sich von der Politik nichts mehr erwarten.

STANDARD: Ist es sinnvoller jetzt eine Begutachtung zu machen, als es schnell zu verabschieden?

Barth: Die Regierung sagt, sie will vor Beschluss eine öffentliche Diskussion. Gleichzeitig hält sie den Antrag dazu unter Verschluss. Das muss man sich einmal vorstellen: Der Antrag zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist offenbar Amtsgeheimnis! Ein Treppenwitz. Darum haben wir einen Antrag geschrieben. Reaktion: Null. Kein Anruf, keine Rückfrage, gar nichts. Wenn zwei Universitätsjuristen, ein Politikwissenschafter, der Ex-Chef der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft und der ehemalige Rechnungshof-Präsident eine Verfassungsänderung ausarbeiten wäre es das Mindeste, dazu Stellung zu nehmen. Das gebietet schon allein der Respekt vor dem Gegenüber. Wie konstruktiv sollen sich Bürger denn noch beteiligen?!

STANDARD: Was fürchtet die Regierung?

Barth: Das würden wir auch gern wissen. Uns gegenüber gab es kein einziges inhaltliches Gegenargument.

STANDARD: Warum war die Einführung eines solchen Gesetzes in so vielen anderen Ländern ein so geringes Problem, ist in Österreich aber ein so gewaltiges?

Barth: Österreich hat ein gestörtes Verhältnis zur Öffentlichkeit. Das wurde seinen Bürgern über lange Zeit anerzogen. Natürlich ist es einfacher für die Regierenden den Bürger weniger wissen zu lassen. Dann muss man Entscheidungen weniger diskutieren. Information ist die Voraussetzung für sinnvolle Partizipation. Wir sind das einzige Land Europas wo das Amtsgeheimnis in der Verfassung steht – und das seit 93 Jahren. Das ist nicht Gott gegeben, das kann man ändern.

STANDARD:  Braucht es mehr öffentlichen Druck?

Barth: Die Regierung hat mit ihrem Nein Farbe bekannt. Damit sind die Karten neu gemischt. Nun werden wir eben jeden einzelnen Abgeordneten Stellung beziehen lassen, um den Menschen für die Wahl eine Entscheidungshilfe zu geben.

STANDARD: Was passiert mit der Initiative weiter?

Barth: Wir sind 10.000 Menschen im Wort, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Das werden wir nicht enttäuschen. Damit wird aus einer über Twitter gegründeten Initiative nun eine permanente Organisation für Informationsfreiheit in Österreich. Wäre das Amtsgeheimnis abgeschafft und das Transparenzgesetz eingeführt worden, hätten wir unsere Freizeit wieder anderweitig verwenden können. Doch wenn die Regierung uns zwingt uns zu organisieren... – mit Vergnügen! Wir freuen uns auf die nächste Runde. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, Langfassung, 2.7.2013)