Die Illusion, die letzten fünfhundert Jahre seien an Venedigs Palästen fast spurlos vorübergegangen, wird erst im Kaminzimmer des Palazzo Contarini-Polignac perfekt.

Foto: Michele Crosera/www.teatrolafenice.it

"Wir wollen keine Kreuzschiffmonster mit Billigtouristen, wir wollen elitären Kulturtourismus", sagt Cristiano Chiarot, Intendant des Opernhauses La Fenice. Und also hat man sich in der Lagunenstadt gleich etwas einfallen lassen, um diese "Eliten" denn auch mit Extraordinärem in bares Entzücken zu versetzen.

Noch bis zum 24. August finden in Venedig erstmals die Musikfestspiele "Lo spirito della musica" statt. Wie der Name verrät, streben sie nicht weniger an, als den "musikalischen Geist" der Stadt wiederzuentdecken. "Wir haben dieses Leitmotiv gewählt, um jene Palazzi, wo Musik in Venedig entstanden ist, neu aufleben zu lassen. Dafür öffneten gleich mehrere Adelsfamilien und die Stadtgemeinde bis dato unzugängliche Renaissance-Paläste für das Publikum" erklärt Chiarot.

Auf der Suche nach diesen unerforschten Hallen - und deren musikliebhabenden Besitzern - kommt man am Palast Contarini-Polignac nicht vorbei. Ein Teil der Familie Contarini, zu der später übrigens auch die Tochter des US-Nähmaschinenfabrikanten Singer stieß, wohnt heute noch in jenem ehrwürdigen Palazzo, der direkt am Canal Grande und unmittelbar neben der Accademia gelegen ist.

Zum ersten Mal hat die Familie ihre Räume nun sowohl für das Musikfestival als auch für die Biennale geöffnet. Aktuelle Installationen aus China und dem Irak stehen hier im krassen Kontrast zum üppigen Interieur in der Bibliothek, dem Kaminsaal und den noblen Schlafzimmern. Einmalig ist die Aussicht auf den Canal Grande, mit eigenem Anlegeplatz für die Gondeln und der Illusion, dass fünf Jahrhunderte spurlos an diesem Ort vorübergegangen sind.

Im diesem Palast wohnten unter anderem Igor Strawinski, Arthur Rubinstein, Francis Poulenc und Maurice Ravel, um sich von dem suggestiven Ambiente inspirieren zu lassen. Der einst der Kammermusik gewidmete Saal wird nun mit Kompositionen aus dem 16. und 17. Jahrhundert bespielt.

Auch der Palazzo Monigo, den Nachkommen der venezianischen Dogen der Stadt vermacht hatten, sollte für das Festival zur Verfügung stehen. Wegen verzögerter Restaurierungsarbeiten musste ein Konzert in diesen Räumlichkeiten aber in letzter Minute abgesagt werden. "Wenn nicht heuer, dann eben nächstes Jahr", vertröstet Intendant Chiarot. Gespräche mit weiteren Adelsfamilien, die der Musik nun Tür und Tor zu ihren Palästen öffnen wollen, seien zudem schon im Gange. (Thesy Kness-Bastaroli, Album, DER STANDARD, 29.6.2013)