Haben Sie schon einmal in eine Tarantel gebissen? Nein, ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen, hätte Mavi nicht davon erzählt. Mavi hat im Osten Deutschlands studiert, als der noch ein anderes Land war, und dort die Sprache gelernt. Sie führte uns, eine Gruppe deutscher und österreichischer Journalisten, durch Phnom Penh.
Hätt ich vorher etwas genauer in den ausgesprochen lehrreichen Landundleuteführer "Kulturschock Kambodscha" (Reihe Reise-Know-how) geschaut, hätt ich von den Spinnen schon länger wissen können. Oder wenn ich der unerschrocken reisenden Kollegin Julia Drazdil-Eder genauer zugehört hätte, als sie mir schon vor Unzeiten von ihrem Trip nach Kambodscha erzählte - vermutlich hat sie mir neben einigen schmucken Insektenspießchen auch Bilder von den Taranteln gezeigt.
Essfertig - die Tarantel und ich
Aber jetzt wusste ich ja von den lustigen Essbräuchen hier und hatte eine fixe Idee für die nächsten Wochen in der Ferne. Immer begleitet von ernsten Zweifeln, ob ich wirklich in die Tarantel beißen würde, wenn ich ihr begegne - sie in einigermaßen essfertigem Zustand und ich ebenso, nur aus anderer Position.
Also erst beherzt mit härteren Panzern und vielen Beinen, aber ohne erkennbare Haare üben. Und vom Süden Kambodschas aus an die felligeren Freunde heranarbeiten. Zum Beispiel in Kep, ein Küstenort, den französische Kolonialherren mit Villen bestückten, die Bürgerkrieg und Terrorherrschaft der Roten Khmer nur als ausgebrannte, zerfallende Mauerreste überstanden.
Null bis tausend Beine
Ich hab mich in Kep erst einmal in ein wirklich günstiges, wirklich angenehm bekochtes Ecoresort zurückgezogen, ins Jasmine Valley am Rande des Nationalparks von Kep, ins Baumhaus. Dort kann man auch Indoor laufend neues Gefleuch und Gezeuch auf null bis tausend Beinen studieren, dessen Artgenossen und Verwandte man später in diesem Land noch auf dem Teller finden kann.
Wen das nicht stört, wohnt wildromantisch und entspannt ohne Wifi und warmes Wasser (bei 30 bis 40 Grad draußen überflüssig). Aber mit überraschend gutem, auch günstigem Essen: Reissuppe mit Seafood zum (inkludierten) Frühstück kann ich wärmstens empfehlen.
Fisch läuft Amok
Oder auch Fisch-Amok, halt mit etwas Vorsicht zu genießen, weil mit ordentlich Gräten, ganz ordentlichen zudem. Oder den Royal Snakehead mit Kokosmilch aus der Gusseisenschale. Oder Khmer Curry und Mangosalat mit schöner Schärfe und, wie vieles hier, mit beherztem Einsatz von Knoblauch. Frösche, auch zur Wahl auf der Karte, waren grad keine vorrätig. Und meinen kleinen Freund, mal auf der Duscharmatur, mal auf der Handtuchstange, an den Kacheln oder über der Garderobe entdeckt, wollte ich nicht essen. Taranteln standen erst gar nicht auf der Karte, warum auch?
Wo der Pfeffer wächst
Kulinarisch kennt man Kep, wenn man Kep kennt, für seine Krebse und seinen kleinen einschlägigen Markt. Krebse zum Beispiel mit ordentlich Körnern aus Kampot nebenan, dort, wo der Pfeffer wächst, einer der besten der Welt. sagt man mir in Kambodscha, und wer wäre ich zu widersprechen?
Krabben mit Kampotpfeffer also mit viel Zwiebel, zum Beispiel im Lokal Trei, einem der etwas bobochicer gestalteten Lokale in der langen Zeile von Wirtshausröhren, die sich vom Krebsmarkt am Meer entlangzieht.
Oder, näher zum Krebsmarkt, das Krabbencurry im weit einfacher wirkenden, aber etwas teureren, größeren und grad fast allein von Kambodschanern bevölkerten Srei Pov. Besser aber auch hier Kampot-Krebse oder einfach gegrillt oder gekocht. Im an sich feinen Curry mit gut temperierter Schärfe verlieren sich die Krebsstücke ein wenig. Immerhin praktisch keine Schalen drin wie Gräten in manchem Amok oder Knochen oft im Fleischgericht.
Aus der Röhre schauen
Eine Lokalröhre nach der anderen reiht sich an der Straße zum Krebsmarkt, meist geht's vorbei an der mehr oder etwas weniger ansehnlichen Küche Richtung Tisch mit Meerblick und oft allerrosigstem Sonnenuntergang. Oder Sturmregen, die Trockenzeit neigte sich ja langsam ihrem Ende zu.
Vorne aus der Röhre westwärts übers Meer trifft der Blick auf Rabbit Island. Ich kann nach einer Rundumundmittendurcherkundung dieser Insel berichten: Außer Ratten, Katzen und Hunden keine Felltiere wahrgenommen, übrigens auch keine Taranteln.
Von den Taranteln erzählt mir Jeroen, der Chef des Breezes. Wenn's nur einen Gast gibt in dieser Nebensaison, hat der Wirt Zeit zu tratschen. Ich frag ihn da natürlich auch nach Taranteln, wo und wie. Ohne zu erwarten, dass er die in der Speisekarte oder auch daneben führt. Das Breezes ist eines der teureren, ambitionierteren Lokale in Kep. Das bedeutet: 21 US-Dollar für vier Gänge mit einem Glas Wein, Wasser, und, wer mag, einer kostenlosen Tuktuk-Rückfahrt nach downtown Kep.
Jeroens Breezes hat gerade Krebstaschen, fette Gyoza mit hauchdünnem Teig, als "Special" auf der Tafel. Nehm ich, und bin ein bisschen enttäuscht, dass der viele Krebs kaum wahrnehmbar unter soviel Pfefferschärfe liegt. Die Leute erwarten diese Menge hier, so nah an Kampot, sagt Jeroen später.
Fischsuppe Hawaii
Den Kontrast dazu liefert die Fischsuppe: sehr unfischig mild, mit kleinen, kompakten und unerwartet festen, intensiver fischigen Stücken (angenehmerweise ohne Gräten). Das ist aber kein Fischfonds, oder? Eher Huhn?, frage ich Jeroen. You're a chef?, schmeichelt er mir kulinarischem Universaldilettanten und bestätigt: chicken stock.
Dabei achtete ich doch nur darauf, weil mich James Wade irritiert hatte. Der Executive Chef des von Raffles seit Ende der 1990er bespielten Grand Hotel d'Angkor riet beim Kurzkochkurs zu Hühner- udn nicht Fischfonds für saure kambodschanische Fischsuppe. Milder, zugänglicher, wohl für zugereiste Gaumen. Sein Sous, wenn mich meine Notizen nicht täuschen: Ming Tin, der den Kambo-Kochkurs im Raffles zum allergrößten Teil anleitet, kocht daheim lieber mit Fischgebein wie seine Landsleute.
Bei Jeroen jedenfalls konnte ich immerhin einmal punkten mit meinem kulinarischen Frühschwimmerdiplom. Und weil ich gleich wieder vergessen hatte, dass Kroeung die kambodschanische Gewürzmischung bezeichnet, ging auch der Punkt gleich wieder verloren. Ich hätte vielleicht doch das Jodeldiplom machen sollen, damit kann man gewiss international beeindrucken.
Mehr als die Milde überraschte mich freilich in Jeroens Hühnerfischsuppe die Ananas. Ich kann nicht anders als an Fischsuppe Hawaii denken. Nein, sie war schon gut.
Zu irritieren vermag mich auch nach zwei Wochen Kambodscha, dass alles zugleich auf den Tisch kommt. Ein flüssiges Gericht, ein trockenes Gericht und Reis, so gehört sich das hier. Wenn man nicht gerade zum örtlichen Neujahr beim Kambodscha-Fondue im Schanigarten sitzt. Aber das ist eine andere Geschichte. Wie die Sache mit den Taranteln. Bleiben Sie dran. Hier erst einmal ein paar Bilder aus Kep. (Harald Fidler, derStandard.at, 2.7.2013)