Die schärfste BMW aller Zeiten ist für die Rennstrecke gebaut. Aber kann sie auch gondeln, wochenendtouren und topfenstrudeln?

Sie ist der leichteste 1000er Supersportler mit vier Zylindern. Sie wiegt, fast blunzenvoll getankt und mit dem Race-ABS, unter 200 Kilogramm. Trocken, immer noch samt ABS, sind es gar nur 169 Kilogramm. Die treffen auf 193 PS aus einem Reihenvierzylinder. Drehmoment: 112 Newtonmeter. Kurzum: Die HP4 holst du beim Händler ab, fährst mit ihr auf die Rennstrecke, und wenn du nicht alles stehen lässt, was dort kreucht und fleucht, dann musst du ganz tief in die Trickkiste greifen und Slicks aufziehen. Damit ist es gerichtet. Wenn du mit Slicks immer noch abbeißt, dann willkommen in meiner Welt.

Foto: wolf-dieter grabner http://www.theflow.cc

Kann schon gut sein, dass einige Käufer der HP4 gar nicht mit ihr auf die Rennstrecke wollen. Denn erstens weißt du dann sofort, was du kannst – Ausreden gibt es da keine. Und zweitens ist es halt schon schad um das Eisen, wenn du es in der ersten Kurve über das Kiesbett trägst, um es kurz darauf im Reifenstapel zu sezieren. Drittens kostet das eine ganze Stange Geld, wenn man die HP4 führungslos herumkugeln lässt.

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Die HP4, die uns BMW für den Test zur Verfügung gestellt hat, kostet schlanke 30.000 Euro. 28.479 Euro – mit dem HP4 Competition Paket, das aus jeder Menge Carbon, klappbaren Hebeln und eigenen Fußrasten besteht – um genau zu sein. Aber nach der Schrottung kommen da Kreditkosten, Zinsen und Zinseszinsen dazu, darum sind die 30.000 Euro eh schon sehr blauäugig. Deshalb gilt es herauszufinden, ob die HP4 auch auf der Straße etwas taugt.

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Nicht jeder Porsche GT3, nicht jeder SLS AMG, nicht jeder X-Bow, nicht jeder Taunus wird nur auf der Rennstrecke bewegt. Und einige HP4 wird das Schicksal ereilen, dass der, der sie sich leisten kann, nicht eine Sekunde daran denkt, sie auf der Rundstrecke zu bewegen, sondern daran vorm Eissalon bewundert zu werden, die HP4 über den Topfenstrudel hinweg anhimmeln zu können, das Eisen prestigeträchtig prächtig zum eigenen Vorteil zu inszenieren.

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Akustisch ist das schon einmal kein Problem. Der Motor, der gleiche wie in der S 1000 Doppel-R, atmet durch ein Akrapovic-Endrohr und macht keinen Hehl aus der Leistung, die da durch ihn durchplärrt. Wegen der Sitzposition lohnt es sich aber, hin und wieder ein Schnitzel durch einen Paprika zu ersetzen.

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Viel Bauch liegt gach einmal am Tank an. Dafür kommt man dann so nicht in die Verlegenheit, das Körpergewicht über die Hände an den Griffen abzustützen. Wer mit der HP4 auf Aufriss gehen will, muss zudem gleich die Doppelsitzer bestellen. Sonst gibt es am Soziusplatz nur eine Abdeckung und keine hinteren Fußrasten.

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Zu zweit heißt es dann auch die Finger von der Launch-Control zu lassen. Bei einem Ampelstart von 0 auf 100 km/h in unter 3 Sekunden ist man sonst spätestens auf der anderen Seite der Kreuzung erst wieder Single. Aber unter uns: Zu zweit fährt man die HP4 eh nicht. Sonst, ja sonst darf man mit ihr schon auf der normalen Straße fahren.

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Die DTC, die Dynamic Traction Control schaut schon drauf, dass nix passiert. Weil nix ist leichter, alsdass dem 200er Hinterpatschen der Grip ausgeht, wenn man das Gas aufreißt. Ganz galant nimmt die HP4 den Druck von der Kette und schenkt Grip, wo er grad verloren ging. Darauf mag pfeifen, wer will – lässt sich eh über einen Knopfdruck abschalten –, aber ohne den Daniel-Düsentrieb im Gasgriff, weiß ich nicht, ob die BMW heute noch so schön wäre, wie sie ist. Denn das System hat weitaus öfter als einmal eingreifen müssen.

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Justieren lässt sich auch das Fahrwerk. DDC, Dynamic Damping Control nennt sich das Zauberregelwerk, das sich jeder Fahrsituation in Sekundenbruchteilen anpasst. Das ABS ist messerscharf und bremst nun wirklich besser als jeder Möchtegern-Racer.

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Über die Knopferl am Lenker sagt man der HP4, ob man gerne mehr oder weniger Eingriff hätte. "Rain", "Sport", "Race" und "Slick" sind die vier Optionen, wobei man "Race" mit Supersportreifen auf der Rundstrecke wählt. Die fast 200 PS liegen übrigens auch im Regenmodus an. Keine schlechte Option, wenn man gemütlich auf einen Kaffee fährt. Aber trotzdem wähle ich "Sport" für die entspannte Ausfahrt. Einfach, weil es im Augenwinkel besser ausschaut, wenn es am Display steht.

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Gustostückerl an der HP4, wenn man sie auf der Straße bewegt, ist aber nicht das edle Fahrwerk, die schwimmend gelagerten Bremboscheiben mit den Monoblock-Zangen, der brachiale Motor oder die elektronischen Helferlein. Nein, es ist der Schaltassistent. Drückt man den Schalthebel nach oben, schaltet die BMW von alleine hoch, ohne dass man vom Gas geht. Zugunterbrechung? Offiziell ja, ganz kurz, gefühlt aber nicht. Und die Schalterei ist dann natürlich auch auf der Rennstrecke der Bringer. Aber darüber wollen wir hier ja nicht reden.

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Kunststück dagegen ist es, auf der Straße in den 6. Gang zu kommen. Das braucht viel Übung, Vorbereitung und einen eisernen Willen. Denn im Grunde käme man im 1. Gang von Wien bis Warschau, von Melk bis Marburg, von Döbling bis Dornbirn. Aber weil die Schalterei so fein ist, hackelt man sich schon gern einmal bis in den letzten Gang und gondelt dann mit 2.000 Touren herum. Macht aber nix. Wenn du dann das Gas aufreißt, bleibt dir immer noch fast das Hirn stehen. Wenn man meint, da kann nix gehen, bäumt sich die HP4 bei einem Gasstoß immer noch auf, als ginge es um den Sieg der goldenen Wurstsemmel.

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Jedenfalls: Die HP4 taugt auch für die Wochenend-Tour. Für die hartgesottenen Leser: Ja, Windschutz ist perfekt, der Geradeauslauf ist makellos, und in die Kurve wirft sich die HP4 auch fast von allein. Nur Schallplattenreifen auf einer Big-Enduro lassen sich leichter umlegen als der 200er auf der Supersport-BMW. Und nein, so viel High-Tech braucht man nicht, um über den Exelberg zu fahren, bei der Dopplerhütte aufzufallen, oder am Tulbingerkogel Eindruck zu schinden. Aber ich werfe keinen Stein, wenn sich eine oder einer das leistet, weil sie oder er kann. Sicher nicht. Eher beiß ich neidig auf ein saftiges Stück Leder.

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BMW HP4

Motor: 4 Zylinder-4-Takt-Motor, 4 Ventile/Zylinder
Hubraum: 999 ccm
Leistung: 142 kW (193 PS) bei 13.000 U/min
Drehmoment: 112 Nm bei 9.750 U/minKraftübertragung: Kette
Radaufhängung vorne: 46 mm USD-Gabel
Radaufhängung hi.: Alu-Zweiarm-Schwinge mit Zentralfederbein
Bremse vo.: Doppelscheiben, Ø 320 mm, rad. Monoblock-Vierkolbensättel
Bremse hi.: Scheibenbremse, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel
Reifen vorne: 120/70 ZR17
Reifen hinten: 200/55 ZR17
Gewicht fahrfertig: 199 kg
Gewicht trocken: 169 kg
Sitzhöhe: 820 mm
Preis: ab 24.200 Euro

(Guido Gluschitsch, derStandard.at, 1.7.2013)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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