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Der Großteil der Alpine-Bauarbeiter muss nicht um die Jobs bangen. Solange es Aufträge gibt, werden sie beschäftigt.

Foto: AP/De Olza

Wien - Die Alpine-Pleite kam für Kenner der Branche nicht überraschend und die Gründe dafür liegen viele Jahre zurück. Seit ihrer Gründung 1965 durch die aus dem Mercedes-Handel bekannte Familie Pappas in Salzburg und der Führung unter Langzeitchef Dietmar Aluta standen die Zeichen auf Expansion. Angetrieben wurde diese Strategie durch den Glauben, je größer die Firma und die Baustellen werden, desto leichter wird sie an Aufträge kommen: Dann, so die Annahme, gebe es (im Inland) weniger Konkurrenz und man könne Preise diktieren.

Baupleiten in dieser Dimension folgen immer denselben Spielregeln: Ist im Inland der Plafonds erreicht, wird mit Vollgas im Ausland expandiert. Dort trifft man dann - auch infolge der Globalisierung - auf eine ganz andere Liga: Denn je größer die Märkte werden, desto mehr Konkurrenz hat man im Ausland. Wer glaubt, durch Wachstum die Konkurrenz vom Hals zu haben, irrt.

Kompetente Mitarbeiter

Eine Binsenweisheit in der Baubrache lautet: Das Risiko im Ausland wächst mit dem Quadrat zur Entfernung. Das heißt: Wer zehnmal weiter weg von Österreich ist, trägt das hundertfache Risiko. Um dieses höhere Risiko bewältigen zu können, werden kompetente Mitarbeiter auf allen Ebenen (hervorragende Teams von Ingenieuren, Kaufleuten, Juristen etc.) gebraucht, damit alle nichttechnischen Probleme im Ausland bewältigt werden können.

Bei der Alpine hat das Tempo der Expansion mit der Rekrutierung guter Leute nicht Schritt gehalten - und zwar auf allen Ebenen. Um qualifiziertes Personal zu bekommen, wird viel Zeit benötigt. Wer rasch wächst, nimmt die Mitarbeiter, die rasch verfügbar sind. Aber das sind in aller Regel nicht durch die Bank die kompetentesten.

Die Kombination aus hohem Risiko und schwachem Management führt schließlich zu materiellen Verlusten: Zu Beginn der Expansion können die Gewinne im Inland die Verluste im Ausland abdecken. Aber das geht nicht ewig, mit dem Nebeneffekt, dass die besten Leute aus dem Inland als Feuerwehr in die ausländischen Niederlassungen geschickt werden, wodurch zwangsläufig das Geschäft am Heimmarkt geschwächt wird.

Provisionszahlungen

Parallel zu den Schwierigkeiten im Ausland steigen die Angebote selbsternannter Troubleshooter, die Hilfe versprechen, freilich nicht, ohne eine entsprechende Provision zu kassieren. Die Gefahr, dadurch mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, steigt.

Die Alpine fuhr diesen riskanten Expansionskurs jahrelang. Schluss war erst, als keine Bank mehr diese Expansion finanzierte. Solange Kredite gegeben werden, geht die Expansion hurtig weiter, in der Hoffnung es wird schon einmal besser werden. Bilanzen sind sehr geduldig. Die Stunde der Wahrheit kommt erst, wenn das Geld ausgeht. Erstaunlich ist, bis zu welchen Summen die Banken die Alpine finanziert haben. Nachdem was bisher bekannt ist, betragen die Passiva mehr als drei Milliarden Euro.

Die Alpine hat in besonders riskante Märkte in Südost- und Osteuropa investiert, die im Zuge der Wirtschaftskrise selbst in die Rezession schlitterten. 2006 entschied sich die Familie Pappas, ihre Anteile um kolportierte 480 Millionen Euro an den spanischen Infrastrukturkonzern FCC zu verkaufen. Ziel der FCC war es damals, mit dem Ostengagement der Alpine ein zweites Standbein neben dem Heimmarkt zu haben. Dazu muss man wissen: Spanien hatte (bis zum Platzen der Immobilienblase) einen maßlos überzogenen Baumarkt. Es entstanden unzählige Hotels und Apartments an der Küste, die Gelder für die dafür notwendige Infrastruktur kamen von der EU. Im Akquirieren der EU-Gelder waren die Spanier wahre Weltmeister. Da wurde über Jahre am Bedarf vorbeigebaut, nach dem Motto "zu jedem Weinkeller eine Autobahn". Seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise und dem Niedergang Spaniens stehen viele der teuer errichteten Immobilien leer.

Der strategische Ansatz der FCC war es damals, diese Rückgänge im Inland mit der auf Osteuropa fokussierten Alpine zu kompensieren. Beflügelt wurde das durch die Spanischkenntnisse von Alfred Gusenbauer und Benita Ferrero-Waldner, die im Aufsichtsrat der Alpine saßen.

Ende des Baubooms

Knüppeldick kam es für die FCC, als in Spanien die Bauaufträge um sagenhafte 50 Prozent einbrachen und in den osteuropäischen Ländern die Aufträge in der Krise ebenfalls deutlich zurückgingen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten bekommt man auch dort nur Aufträge zu schlechten Preisen. Dann ging es Schlag auf Schlag: Das Geld war aus, die Banken gaben keines mehr her. Der Konkurs war die Folge. Ob die FCC selbst die Alpine-Pleite übersteht, ist ungewiss.

Fest steht aber auch, dass ein Großteil der Alpine-Bauarbeiter weiter beschäftigt wird, so viele eben, wie es Baustellen gibt. Für die Manager und die Mitarbeiter in der Verwaltung wird es hingegen nicht so einfach sein, einen neuen Job zu bekommen. So sinnvoll das Konjunkturpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft ist, zur Rettung der Alpine braucht man es nicht. (Claudia Ruff, DER STANDARD; 1.7.2013)