Die angesehene britische Zeitung "The Guardian" ist seit Wochen mit ihren Enthüllungen um den NSA-Informanten Edward Snowden führend in der Berichterstattung über die Sammelwut der US-Geheimdienste. Am Samstagabend legte das Blatt zusammen der Sonntagszeitung "The Observer" nach: Unter Berufung auf einen weiteren Ex-Geheimdienstmitarbeiter berichteten die Blätter, dass eine Reihe europäischer Länder angeblich regelmäßig aus digitaler Kommunikation gewonnene Daten an die US-Sicherheitsbehörde NSA weitergegeben hätten.

Zitiert wurde Wayne Madsen, ein ehemaliger Marineoffizier und Geheimdienstmitarbeiter. Nur wenige Stunden nach seinem Erscheinen wurde der Beitrag plötzlich von der Webseite guardian.co.uk entfernt, mit der Begründung, eine Untersuchung stehe an.

"Enthüllt: Geheime europäische Deals zur Weitergabe privater Daten an Amerika"

Die Entscheidung, den Bericht zurückzunehmen, wurde offenbar zu spät getroffen, um den Inhalt des Schwesterblatts "Observer" noch zu ändern. An manchen Kiosken lag die Druckausgabe Sonntagfrüh mit der Titelgeschichte aus: "Enthüllt: Geheime europäische Deals zur Weitergabe privater Daten an Amerika". Was wohl als weiterer großer Wurf in dem laufenden Geheimdienst-Krimi um Snowden gedacht war, wirkte bei Tageslicht eher wie ein schlecht recherchierter Schnellschuss.

Der "Guardian" ging zunächst nicht auf Anfragen zu dem Fall ein. Britische und US-Medien bezeichneten Madsen als Querulanten mit einem Hang zu konspirativen Theorien, der unter anderem fest davon überzeugt sein soll, dass US-Präsident Barack Obama in Wirklichkeit schwul sei und die US-Regierung beim Bombenattentat auf den Marathonlauf in Boston in diesem Jahr die Hände im Spiel gehabt habe. Auf Twitter etwa nannte die ehemalige konservative Abgeordnete Louise Mensch den Ex-Geheimdienstmitarbeiter einen Spinner. (APA/dpa, 30.6. 2013)