Unaufgeregte Ankündigung, dass Kroatien der EU beitritt.

Foto: derStandard.at/Woelfl

EU-Gegner sind der Ansicht, dass Kroatien auf den Beitritt nicht gut genug vorbereitet ist.

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Die Bühne am Ban-Jelačić-Platz ist aufgebaut. Die EU-Fahnen sind gehisst. In Zagreb rennen viele ausländische Journalisten herum und filmen die Marktfrauen am Dolac, dem großen Markt in der Mitte der Stadt. Die Zagreber warten weiter auf den Sommer, der sich schon wieder einmal nicht zeigen will. Auf Plakaten steht: EU, HR. Ganz nüchtern. EU Beistrich Kroatien Punkt. Und so ist auch die Atmosphäre.

Was erwarten Sie vom Beitritt Kroatiens zur EU? "Nichts", lautet die häufigste Antwort, wenn man die Zagreber befragt. Kroatien ist das Land, das bislang am längsten mit der EU verhandelt hat. In der Kommission sieht man den Staat mit seinen 4,4 Millionen Einwohnern auf den Beitritt "vorbereitet". Angesichts der geringen Erwartungen der Kroaten könnte man sich allerdings fragen: Wie gut ist eigentlich die EU auf Kroatien vorbereitet?

Weniger Russen als Gäste

"Die Urlauber aus Osteuropa, die hierher kamen, konnten bisher nicht alles in den Urlaub mitnehmen, weil es noch Zollgrenzen gab. Mit dem EU-Beitritt sind die Zollgrenzen weg und sie werden alles zu Hause in der Slowakei oder Polen einkaufen, wo es billiger ist und mit nach Kroatien in den Urlaub nehmen. Dadurch werden die kroatischen Supermärkte verlieren", sagt die 35-jährige Dubravka R., die gerade ihren samstäglichen Einkauf erledigt hat. Die Wirtschaftsprüferin glaubt auch, dass die Bauern, die viel zu kleine Höfe haben, unter Druck geraten werden. "Und es werden möglicherweise weniger Russen auf Urlaub kommen, weil die jetzt ein Visum brauchen. Bisher haben die im Sommer keines gebraucht."

Ihre Freundin, Nina, 40 Jahre alt, die im IT-Bereich arbeitet, hofft zumindest, dass sie jetzt nach dem EU-Beitritt mehr Produkte bei Amazon bestellen kann. "Bisher hat es immer geheißen: Das ist nicht in ihre Region lieferbar." Der 76-jährige Mladen Pavković, der neben ihr, auf einer Parkbank vor dem Hotel Dubrovnik sitzt, erhofft sich eine Änderung der "kommunistischen Mentalität". "Die Leute haben nicht gelernt, dass man Rechnungen bezahlt", meint er. Für die jungen Leute sei die EU eine Chance ein Studium im Ausland zu absolvieren und andere Staaten kennenzulernen. Der Ökonom erzählt aber, dass seine drei Kinder ohne seine finanzielle Hilfe nicht zurechtkommen würden. "Ich helfe denen regelmäßig aus, aber das ist gut so, dazu gibt es eine Familie. Und das ist Mitteleuropa."

"Chinesen können uns Studienplätze wegnehmen"

Die drei Schwestern Emilie, Marie und Natalie, deren Vater in Frankreich arbeitet und die deshalb so schöne französische Namen haben, tragen alle die gleichen schwarzen Brillen. Marie und Emilie sind Zwillinge, 17 Jahre alt, Natalie ist 18. Was erwarten sich die Schülerinnen vom EU-Beitritt? "Gar nichts", sagen sie alle drei zugleich, als ob sie Drillinge wären. Der EU-Beitritt macht ihnen höchstens Angst, weil "nun auch Chinesen kommen können und unsere Studienplätze wegnehmen". Überhaupt würde alles immer teurer. Ob sie sich als Europäerinnen fühlen? "Nein, als Kroatinnen", sagen die drei wieder zugleich.

Hinter ihnen haben EU-Gegner einen Stand aufgebaut, auf dem die blaue Flagge mit den zwölf gelben Sternen durchgestrichen ist. "Kroatien ist nicht vorbereitet auf den Beitritt", sagt Bela T. "Es ist so ein kleines Land, wir Kroaten sind nicht einmal ein Prozent aller Europäer." Bela T. sorgt sich vor allem, dass die kroatischen Produkte nicht exportiert werden, sondern umgekehrt nun alles nach Kroatien importiert werden. Sie selbst stellt zum Beispiel Naturkosmetik her. Und sie glaubt nicht, dass diese angesichts der Produkte, die aus dem Ausland kommen, eine Chance haben.

"Vor zehn Jahren, da hätten wir uns gefreut"

Auch Nataša R. erwartet sich "nichts". Vielleicht werde es jetzt einfacher für Studenten im Ausland zu studieren. "Aber auch nur vielleicht", sagt die Frau, die Rechtsberatung für eine Angestelltenvertretung macht. Sie ist sich auch nicht sicher, "ob Kroatien vorbereitet ist, alle die fiskalischen Erfordernisse, die Steuern abzugeben. Das ist ein sehr komplexes System", meint die 37-jährige, die ihr Fahrrad neben sich stehen hat und auf ihren Mann wartet. "Vor zehn Jahren, ja da hätten wir uns gefreut. Da war die EU noch etwas Besonderes, etwas Großartiges. Aber heute ist sie nur mehr ein einziges großes Problem", sagt sie und setzt sich auf ihr Fahrrad und verschwindet im Getümmel der Stadt, in den Alltag des 28. Mitgliedlandes der EU. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 29.6.2013)