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Foto: AP/Monsivais

In Anbetracht James "Hoss" Cartwrights äußerer Statur würde nicht unbedingt jeder auf ein indiskretes Vögelchen schließen, das in Washington ein süßes Staatsgeheimnis nach dem anderen in ausgewählte Ohren zwitschert. Der Vier-Sterne-General (der Marines) schaut vielmehr so aus, als wäre er nach jener Vorlage herausgestanzt, nach der quasi alle US-Generäle gefertigt sind: bullig, schneidig, scharf im Kopf - und "semper fi", immer treu, wie es bei den Marines heißt.

Nun allerdings wird gegen den 63-jährigen "Lieblingsgeneral Obamas" ermittelt, weil er dem New York Times-Journalisten David Sanger, dem in sicherheitspolitischen Dingen am besten informierten US-Reporter, Details zu Stuxnet verraten haben soll - vor allem dass die USA, Israel und andere westliche Staaten hinter der Aktion stecken sollen, die im Sommer 2010 mit einem Computerwurm das iranische Atomprogramm empfindlich störte. Diese Staaten sollen Know-how und substanzielle Finanzmittel in die Entwicklung Stuxnets gesteckt haben, der die Siemens-Steuerungssysteme iranischer Urananreicherungszentrifugen angriff und diese schwer beschädigte.

Als die New York Times die Geschichte brachte, war der Präsidentschaftswahlkampf in vollem Gang, und die meisten Beobachter gingen davon aus, dass deren Erscheinen kein Zufall war. Mit der Stuxnet-Enthüllung und anderen "breaking news" aus dem Militärbereich solle sichergestellt werden, dass Präsident Barack Obama von den Republikanern nicht als sicherheitspolitisches Weichei dargestellt werden konnte, hieß es. Als Quelle wurde immer das Weiße Haus vermutet.

Oder eben Obama nahestehende Personen wie Cartwright, der zwischen 2007 und 2011 Vizegeneralstabschef der US-Streitkräfte war und zum engsten sicherheitspolitischen Beraterkreis Obamas zählte - vor allem auch deswegen, weil er zuweilen dissidente Meinungen vertrat.

Im Jahr 2009 etwa trat er im scharfen Kontrast mit vielen anderen Generälen vehement gegen Truppenaufstockungen in Afghanistan ein. Das dürfte ihn auch das Amt des Generalstabschefs gekostet haben. Obama, berichtet die Washington Post, habe gefürchtet, dass er zu viele Brücken zu anderen im Pentagon abgebrochen habe, und zog deswegen Martin Dempsey vor.

Dass der pensionierte General nun unter Verdacht steht, mag auch mit dieser Feindschaft zusammenhängen. Das zwitschern - andere - Vögelchen in Washington. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 29.6.2013)