Der am 24. Juni auf derStandard.at unter dem Titel "Mit Geisterforschung zum Doktortitel: Esoterik an der Wiener Universität" erschienene Gastkommentar von Krista Federspiel hat eine an sich leicht verständliche Botschaft: Am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie (KSA) der Universität Wien hat sich im Lauf der letzten Jahre unter der Leitung von Prof. Kremser eine Gruppe von Studierenden gebildet, die Esoterik und Mystik nicht nur erforschen, sondern in völligem Gegensatz zur guten wissenschaftlichen Praxis selbst esoterische Methoden anwenden und esoterisch-mystische Vorstellungen der von ihnen untersuchten Kulturen kritiklos übernehmen und propagieren.

Dass aus dieser Gruppe offenbar sogar wissenschaftlicher Nachwuchs rekrutiert wird und auf diese Weise pseudowissenschaftliche Konzepte und Methoden tradiert werden, gefährdet die Ausbildung junger Studierender der KSA und beschädigt den Ruf des Instituts, der Fakultät und letztlich der Universität selbst. Darauf mit einer Vielzahl von für sich selbst sprechenden Belegen warnend hinzuweisen, wie Frau Federspiel es tat, ist eine Form von Whistleblowing, die naturgemäß vor Ort nicht nur auf Zustimmung gestoßen ist.

Die am 25. Juni in zwei Stellungnahmen veröffentlichten Reaktionen eines Lektors sowie der Führungsriege des KSA-Instituts sind allerdings nicht geeignet, unsere Bedenken zu zerstreuen. Im Gegenteil: auf die Kernpunkte der berechtigten Kritik wird halbherzig in einem Nebensatz eingegangen. Stattdessen ergeht man sich in ad hominems und versucht, die Gesellschaft für kritisches Denken, deren Mitglied Frau Federspiel ist, stellvertretend für diese anzupatzen.

Zuerst einmal: Durch ein Missverständnis wurde ein unredigierter Entwurf von Frau Federspiels Text zwei Tage früher als geplant online gestellt. Aus dem Übergang von der Universität und ihrem Rektor zur sozialwissenschaftlichen Fakultät und deren Dekan als Adressat in zwei alten Versionen des Texts ergab sich ein Durcheinander von Bezeichnungen, das den Inhalt der Kritik aber in keiner Weise berührt. Aus diesen bedauerlichen Vertauschungen völlig beleglos eine angebliche mangelnde Recherche in Bezug auf den gesamten Text zu extrapolieren, wie es die Stellungnahmen tun, ist ein Untergriff, den die KSA-Vertretung nicht nötig haben sollte, und auf den man insbesondere dann verzichten sollte, wenn man, wie Herr Eberhard, Johannes Hahn für einen ehemaligen Bildungsminister hält.

Zweitens: Dass die Kritik drei Monate nach Prof. Kremsers Tod erschienen ist, ist nicht das Resultat eines hinterlistigen taktischen Manövers, wie uns offenbar unterstellt wird, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass wir erst im Frühjahr 2013 durch Insider auf das ganze Ausmaß der untragbaren Zustände aufmerksam gemacht worden waren.

Der Vorwurf, die von Frau Federspiel angeführten Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen, geht völlig ins Leere. Denn diese Zitate sind, wie man unschwer erkennen kann, in überhaupt keinem denkbaren wissenschaftlichen Kontext akzeptabel. Ich selbst habe übrigens die gesamte inkriminierte Dissertation gelesen und stehe hinter jedem Wort der Kritik, das Frau Federspiel dazu äußert.

"Argumente sind nicht stets parat, man schreibt auch, wenn man keine hat", möchte man frei nach Wilhelm Busch angesichts des Schwalls an Unterstellungen sagen, die gegen Frau Federspiel und die Gesellschaft für kritisches Denken bzw. deren "Mutterverein", die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), gerichtet sind.

Herr Eberhard etwa hat aus den Untiefen des Internet ein Pamphlet eines ehemaligen GWUP-Mitglieds zutage gefördert, das sich in grauer Vorzeit nach einem gescheiterten Putschversuch seinen Frust von der Seele geschrieben hat. In der "Zeit", so Eberhard, werde der GWUP das Gebaren einer Politsekte unterstellt. Das Präsens, das er dabei benutzt, kann nur ein bedauerlicher Lapsus sein, bedenkt man, dass der erwähnte Kommentar aus dem vorigen Jahrtausend (!) stammt.

Die dubiosen Quellen, aus denen Herr Eberhard den Schmutz fischte, mit dem er nach den Skeptikern wirft, sind allerdings kein Geheimwissen: Der einzige Ort im Internet, wo sich derlei findet, ist die Webseite eines Lobbyisten im Dienste der Globuli-Industrie, der dafür bezahlt wurde, Kritiker der Homöopathie anzuschwärzen. Fürwahr eine feine Gesellschaft, in der man sich hier als Wissenschaftler bewegt.

Die KSA-Leitung dagegen verzichtet lieber gleich zur Gänze auf Quellen und fantasiert frisch von der Leber weg, die GkD sei der "eurozentrischen Haltung" des "Ultra-Rationalismus" schuldig und werte fremde Weltbilder ab. Außerdem, so lese ich als Präsident dieses Vereins mit zunehmender Verblüffung, wollen wir Skeptiker an die "vollständige Erklärung der Welt aus einem bestimmten Weltbild heraus" glauben. Das ist eine interessante Verteidigungsstrategie: Begründete Kritik, wissenschaftliche Skepsis und der Gebrauch der Vernunft, also Handwerkzeug jedes Wissenschaftlers, sind in den Augen der KSA-Leitung also "Ultra-Rationalismus", und noch dazu eurozentrisch. Asiatische Kulturen sind demnach zum Einsatz von Vernunft und Kritik offenbar weniger prädestiniert, oder wie?

Die KSA-Leitung scheint in ihrer relativistischen Defensivrhetorik einem fundamentalen Irrtum zu unterliegen. Während es nämlich viele Weltbilder gibt, gibt es dennoch nur eine Welt. Das bedeutet, dass sich in Mariazell die Wassermoleküle nicht anders verhalten als in Favoriten, dass HIV auch in Afrika zu AIDS führt, dass auch im Amazonas-Gebiet durch intensives Meditieren keine Materie entsteht, und dass auch in Tibet aus Quecksilber kein Gold wird.

Die angemessene Reaktion des KSA wäre es gewesen, Humbug ehrlich als Humbug zu deklarieren und Besserung zu geloben. Stattdessen verteidigt man den Humbug mit dem trotzigen Verweis darauf, die Wissenschaft und ihre Lehre sei frei. Mitunter auch frei von Kritikfähigkeit, möchte man ergänzen. (Ulrich Berger, Gastkommentar, derStandard.at, 28.6.2013)