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Aktivismus in Südafrika: Am Internationalen Tag gegen Homophobie veranstalteten Aktivist_innen in Johannesburg einen Flashmob.

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Am Freitag mahnte US-Präsident Obama im Senegal ein Ende der Diskriminierung und Verfolgung von Lesben und Schwulen ein.

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Menschenrechtsaktivist und Generalsekretär von Amnesty International Österreich: Heinz Patzelt.

Foto: Reuters/HEINZ-PETER BADER

1992 wurde Stosh vergewaltigt. Er war 16 Jahre alt. Daraufhin habe er versucht, heterosexuell zu werden. Das gelang ihm nicht. Nun fühle er sich in seinem eigenen Land wie ein Flüchtling, erzählt er. An seinem letzten Wohnort wurde er von Menschen, mit denen er früher befreundet war, mit Steinen beworfen. "Ich lebe ein Leben aus Lügen", resümiert Stosh sein Dasein in Uganda.

Stosh ist einer von vielen Verfolgten. Schon seit einigen Jahren beobachten MenschenrechtsaktivistInnen zunehmende Übergriffe auf Lesben, Schwule, Bi- und Trans*Personen (LGBT) in verschiedenen Ländern Afrikas. Südlich der Sahara habe Homophobie ein gefährliches Ausmaß angenommen. Zu diesem Schluss kommt Amnesty International in dem neuen, umfassenden Bericht "Making Love a Crime". Der Amnesty-Report nimmt die aktuelle Gesetzeslage quer durch den Kontinent unter die Lupe und beschreibt die Lebenssituation Betroffener aus Uganda, Kenia, Südafrika und Kamerun.

"Akte gegen die natürliche Ordnung"

In 38 Ländern südlich der Sahara gelten derzeit gleichgeschlechtliche Handlungen als Straftat und werden als "unnatürliche fleischliche Akte" oder "Akte gegen die natürliche Ordnung" qualifiziert. In den vergangenen fünf Jahren haben der Südsudan und Burundi neue Gesetze zur Bestrafung von Lesben und Schwulen eingeführt. In Uganda, Liberia und Nigeria wird die Verschärfung bestehender Gesetze in den Parlamenten diskutiert, bis hin zur Einführung der Todesstrafe.

Dabei sind LGBT-Personen schon jetzt täglicher Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. In Kamerun etwa werden Menschen immer wieder willkürlich verhaftet und angeklagt, weil jemand vermutet, dass sie lesbisch oder schwul sein könnten. Amnesty führt in dem Bericht ebenso an, dass viele Verhaftete von Polizisten vergewaltigt würden. Einen nicht unwesentlichen Teil zu dieser Entwicklung tragen die Medien bei: Sie veröffentlichen Bilder von "mutmaßlichen Homosexuellen" und ebnen damit den Weg für Übergriffe.

Paradoxe Situation in Südafrika

Auch Vergewaltigungen von Frauen führt Amnesty International in dem Bericht an - die Vergewaltiger wollen sie so von ihrer sexuellen Identität "kurieren". Täter fühlen sich umso mehr legitimiert, je öfter über eine Verschärfung bestehender Verbote diskutiert wird und führende PolitikerInnen und Religionsvertreter gleichgeschlechtlich Liebende als unmoralisch und krankhaft darstellen. Für US-Präsident Barack Obama, der Ende Juni unter anderem im Senegal war, ein untragbarer Zustand, über den er diplomatisch meinte: "Menschen müssen ungeachtet ihrer Religion, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung durch die Gesetze gleich behandelt werden."

Besonders paradox stellt sich die Situation für LGBT-Personen in Südafrika dar: Obwohl das südlichste Land in Afrika zu den Pionieren im Schutz durch Rechte gehört, wurden allein von Juni bis November 2012 mindestens sieben Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität getötet. Südafrika war das erste Land der Welt, das 1996 die Diskriminierung aufgrund sexueller Identität verbot, 2006 wurde die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet. Dennoch scheint ein großer Teil der Bevölkerung diese progressive Gesetzgebung nicht nachvollzogen zu haben: In kaum einem anderen afrikanischen Land werden so viele physische Übergriffe auf LGBT registriert.

Direktes Erbe des Kolonialismus

80 Prozent der SüdafrikanerInnen lehnen LGBT-Personen ab, und zwei Drittel würden die Verfassung diesbezüglich ändern wollen. Die Verfolgung kennt aber auch soziale und wirtschaftliche Dimensionen. Menschen jenseits der heterosexuellen Norm wird zum Teil medizinische Behandlung vorenthalten. Das medizinische Personal befürchtet, durch eine Behandlung einer Lesbe oder eines Schwulen selbst Opfer von Verfolgung zu werden. "Diese Angriffe, die mitunter tödlich sind, müssen umgehend gestoppt werden", sagt der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt. Doch es fehle der politische Wille, Angriffe auf Lesben und Schwule strafrechtlich zu verfolgen.

Die Situation von LGBT-Personen war in afrikanischen Ländern nicht immer so: Mehr als 40 afrikanische Ethnien tolerierten etwa die Ehe zwischen zwei Frauen. Die Shona in Simbabwe akzeptierten Frauen, die sich als Männer fühlten, sowie Männer, die sich als Frauen fühlten, und hatten sogar eigene Wörter für sie - murumekadzi und mukadzirume. Bei den Langi in Uganda wurden Männer auf Wunsch als Frauen angesprochen und konnten Männer heiraten.

Der neue Bericht von Amnesty International zeigt auf, dass LGBT-Personen erst mit der Kolonialisierung kriminalisiert wurden. Doch während die ehemaligen Kolonialmächte abzogen und Verbote gleichgeschlechtlicher Handlungen in ihren eigenen Ländern aufhoben, blieben die Verbote in den ehemaligen Kolonien bestehen. Heute wird gleichgeschlechtliche Liebe von PolitikerInnen oft als Import aus dem Westen bezeichnet, doch der Import beschränkt sich auf die homophoben Gesetze als ein direktes Erbe des Kolonialismus.

Homophile Entwicklungen

Die MenschenrechtsaktivistInnen von Amnesty führen im Report auch homophile Änderungen an. So hat etwa Kap Verde vor sieben Jahren das Verbot gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen abgeschafft. Derartige Verbesserungen für LGBT-Personen werden aktuell in Mauritius, den Seychellen und São Tomé und Príncipe diskutiert. Schließlich haben einige Länder wie Mosambik und Botswana die Diskriminierung aufgrund sexueller Identität gesetzlich verboten. Erfreulich sei zudem, so Patzelt, dass die Anzahl an zivilgesellschaftlichen AkteurInnen, die sich für die Rechte von LGBT-Personen einsetzen, beständig größer wird. (eks, dieStandard.at, 30.6.2013)