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Albert Edwards, Stratege bei der Société Générale und bei Investoren für seine negative Haltung geliebt wie gefürchtet, hat wieder ausgeteilt. Vor knapp sechs Wochen hat eine Trendumkehr an den Kapitalmärkten eingesetzt. Die Zinsen steigen, Anlagen wie Gold, die als sichere Häfen gelten, haben drastisch an Wert verloren. Ist damit die Finanzkrise überwunden, kommen damit wieder Zeiten "normaler" Zinsen? Ändert das etwas an Edwards' These einer wirtschaftlichen Eiszeit?

Geht es nach Edwards, sind die Rahmenbedingungen für die Eiszeit an den Märkten weiter intakt – also ein Umfeld niedriger Zinsen, niedriger Wirtschaftsdynamik und niedrigen Kreditwachstums. "Indeed, although the economic data has perked up a tad in the last week or so, most notably with durable goods orders, house prices and the Philly Fed manufacturing survey, more generally data has remained lukewarm over the last few months." In den Augen des Strategen Edwards bleibt der Aufschwung in den USA bestenfalls lauwarm, und die Geldpolitik der Fed müsse weiter sehr locker bleiben (was anhaltend niedrige Anleihenzinsen bedeuten würde).

So erwartet Edwards nicht, dass die zehnjährigen Zinsen auf US-Staatsanleihen aus ihrem jahrzehntelangen Abwärtstrend ausbrechen werden. Nicht solange jedenfalls, wie es keinen selbsttragenden Aufschwung mit Wachstumsraten von über drei Prozent gibt. Und, das betont Edwards, die zweite Komponente der langfristigen Anleihenrenditen, die Inflation, bleibt extrem niedrig. In den USA etwa ist die Teuerungsrate je nach Messung zwischen knapp über einem und knapp unter zwei Prozent. "Die Deflationsrisiken bleiben hoch", schreibt Edwards.

Eiszeit und trotzdem weniger Fed-Aktivismus?

Aber, und das ist ein großes Aber, es macht für die Notenbank Sinn, ihr Anleihenkaufprogramm, ihr "Quantitative Easing", zu stoppen, findet der Société-Stratege. Denn QE würde die wirtschaftliche Situation eher verschlimmern denn verbessern und die Risiken von Spekulationsblasen erhöhen. "All QE is doing here is kicking the can down the road and in the process inflating asset bubbles to reduce the need for deleveraging. (...) but I do stongly believe that QE will ultimatley make things worse in the long run rather than better."

Das Gerede der US-Notenbank Fed um eine Reduktion der Staatsanleihenkäufe könnte daher weniger mit der Lage der US-Wirtschaft haben, als es scheint. Nicht ein robuster Arbeitsmarkt könnte die Fed um ihren Chef Ben Bernanke von QE zurückweichen lassen, sondern vielmehr Einsicht. Die Einsicht, dass die Notenbank mit Staatsanleihenkäufen nicht mehr tut als Zeit zu kaufen. Dass weite Teile der US-Konsumenten nach wie vor in einer prekären Finanzsituation feststecken, können die niedrigen Zinsen höchstens kaschieren.

Das findet auch die Zentralbank der Zentralbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, in ihrem aktuellen Jahresbericht. "Was die lockere Geldpolitik getan hat, ist Zeit zu kaufen", schreiben die Ökonomen dort: "Zeit für die Reparatur von Bilanzen, Zeit für Budgetkonsolidierung, und Zeit für Reformen, die das Produktivitätswachstum ankurbeln sollen." Allerdings ist das Kalkül nicht wirklich aufgegangen, urteilen die BIZ-Volkswirte kritisch: "Die Zeit wurde schlecht genutzt, weil die niedrigen Zinsen und unkonventionellen Maßnahmen es einfach machen für den privaten Sektor, die Entschuldung aufzuschieben, für die Regierungen es einfach machen, ihre Defizite zu finanzieren, und für die Behörden es einfach machen, dringende Reformen in der Realwirtschaft und am Finanzmarkt aufzuschieben." Doch genau damit könnten die Zentralbanken die Eiszeit noch weiter verlängern. (Lukas Sustala, derStandard.at, 28.6.2013)