Eines vorweg: Europa und Österreich konnten bisher ganz gut ohne Nabucco leben. Die Reduktion der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen mag ein berechtigtes Anliegen sein, die Pipeline hätte aber nur einen bescheidenen Teil zu diesem Ziel beigetragen und noch dazu die Ambitionen in Richtung Energieeffizienz behindert. Eine schwere Niederlage stellt das Scheitern dennoch dar: erstens für die OMV, die für die Gasröhre nicht nur Managementkapazitäten verheizte und nun vor einem imagemäßigen Scherbenhaufen steht. Zweitens, und in weit größerem Ausmaß, für die österreichische Außenpolitik, die ihre Ausrichtung ganz den fossilen Interessen der OMV unterordnete.

Das ist alles andere als unheikel. Außenminister Michael Spindelegger und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner gaben sich in Aserbaidschan fast schon die Türklinke in die Hand. Wenn es um Öl und Gas geht, wird nicht lange nach demokratischen Standards oder der Beachtung von Menschenrechten gefragt. Und schon gar nicht danach, wo die Einnahmen aus dem Energieboom verschwinden. Offshore-Leaks hat dabei ziemlich tiefe Einblicke in die milliardenschweren Veranlagungen des Clans von Machthaber Ilham Alijew via Cook- und Jungferninseln gewährt.

Das hat das kleine Österreich alles nicht zu interessieren. Da werden lieber Botschaften eröffnet, Allianzen geschmiedet, Verträge unterzeichnet, Kränze am Grabmal niedergelegt. Man muss jetzt nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten und Boykotte gegen autoritär geführte Staaten fordern. Aber die österreichische Politik der Anbiederung der vergangenen Jahre war kaum zu überbieten und hat einige Verwunderung ausgelöst, zumal Spindeleggers Schwarzmeer- und Kaukasus-Strategie auch andere Staaten umfasst, die vor allem eines verbindet: Vorkommen oder Transit von Öl und Gas.

Als wäre das nicht genug, spannte Wien auch noch die EU-Kommission vor den Nabucco-Karren. Die rackerte sich erst eifrig ab, um Zugang zum Gas am Kaspischen Meer zu bekommen, Brüssels Ermüdungserscheinungen waren zuletzt aber angesichts steigender Projektkosten und nach hinten geschobener Umsetzungsprognosen nicht mehr zu übersehen. Auch die Verkürzung der Pipeline, die nach Adaptierung der Pläne nur noch bis zur bulgarisch-türkischen Grenze reichen sollte, konnte keinen frischen Schwung verleihen.

Warum sollte Brüssel auch alles auf eine Karte setzen, wenn ein günstigeres europäisches Konkurrenzprojekt existiert. Die Transadriatische Pipeline TAP bringt ebenfalls kaspisches Gas nach Europa, aber eben nicht über den Balkan und Österreich, sondern via Griechenland und Albanien nach Italien. Für das Gaskonsortium waren dabei nicht nur niedrigere Errichtungskosten, sondern auch höhere Preise in den Abnehmermärkten ausschlaggebend - vorausgesetzt, der Schiefergasboom und der damit verbundene Preisverfall machen nicht auch der TAP einen Strich durch die Rechnung.

Die österreichische Außenpolitik sollte jedenfalls aus der schweren Schlappe die Lehren ziehen. Wirtschaftliche Interessen in die diplomatischen Beziehungen miteinzubeziehen ist essenziell, diese auf die drei Buchstaben OMV zu reduzieren erscheint hingegen mehr als fragwürdig. Die Anbiederung an die Öl- und Gasbarone wurde am Mittwoch eindrucksvoll abgestraft  (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 26.6.2013)