Bild nicht mehr verfügbar.

Eine neue Gasröhre vom Schwarzen Meer soll nun Richtung Baumgarten (im Bild) führen. Der Zeitpunkt ist noch offen.

Foto: Reuters/Bader
Grafik: STANDARD

Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge". So kommentierte OMV-Chef Gerhard Roiss am Mittwoch die kurz zuvor erhaltene Mitteilung, dass kein aserbaidschanisches Erdgas über die geplante Pipeline Nabucco-West bis Baumgarten bei Wien strömen werde. Das Gas gehe nach Süditalien, teilte das Unternehmenskonsortium mit, das mit der Ausbeute des Shah-Deniz-II-Felds im Kaspischen Meer beschäftigt ist.

Als Begründung wurden die höheren Preise genannt, die man in Italien und auch in Griechenland, das von der Konkurrenzpipeline gequert werden soll, über längere Zeit erwarte. Dem Shah-Deniz-Konsortium gehören neben der federführenden BP noch Statoil aus Norwegen, Socar aus Aserbaidschan, die französische Total, Lukoil aus Russland sowie NIOC aus Iran und TPAO aus der Türkei an.

Das lachende Auge begründete Roiss mit dem Verweis auf den größten Gasfund der Geschichte, den die OMV im Vorjahr im Schwarzen Meer (siehe Grafik) gemacht hat: "Durch die Tatsache, dass nun zehn Mrd. Kubikmeter Gas aus der kaspischen Region nach Italien gehen, haben wir für unser eigenes Gas aufnahmefähige Märkte im engeren Umkreis".

Neue Gasröhre vom Schwarzen Meer

Das weinende Auge habe damit zu tun, dass es "natürlich leichter ist, in ein bereits bestehendes Gasnetz zu liefern als eine eigene Pipeline zu bauen." Ob, wann und auf welcher Route die neue Gasröhre vom Schwarzen Meer Richtung Baumgarten errichtet werde, hänge vom tatsächlichen Umfang des Funds vor der Schwarzmeerküste ab. "Eine Pipeline ist auf alle Fälle notwendig, das Gas abzutransportieren", sagte Roiss.

Ob die Nabucco-Gesellschaft, die neben der federführenden OMV die ungarische Mol, Transgas aus Rumänien, Bulgargas aus Bulgarien, die türkische Botas sowie die französische GDF Suez umfasst, ein Nukleus für die geplante neue Pipeline sein könne, ließ Roiss offen. "Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen diskutieren, was aus der Gesellschaft wird."

Die Anfänge von Nabucco reichen mehr als zehn Jahre zurück. Nach dem ersten Treffen 2002 in Wien, an dem auf Initiative der OMV Vertreter von Gasgesellschaften entlang dem möglichen Routenverlauf teilnahmen, ließ man den Abend mit einem Besuch in der Staatsoper ausklingen. Auf dem Programm stand Nabucco von Giuseppe Verdi. Beim anschließenden Abendessen stimmten die Anwesenden bei der Suche nach einem Projektnamen für den Operntitel. Es sollte das medial bekannteste Projekt werden.

Den ursprünglichen Plan, die Nabucco-Leitung von Aserbaidschan 3900 km weit bis Baumgarten an der March zu bauen wurde im Mai 2012 gekübelt. Trotz Lobbyingarbeit, an der sich unter anderem der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer und Ex-EU-Kommissarin Benita Ferrero- Waldner beteiligten, gab es Verzögerung um Verzögerung.

Selbstbewusste Türkei

Die Türkei selbst wurde sich ihrer Rolle als Energiedrehscheibe immer mehr bewusst - und machte Druck, wenn es um die Aufnahme von EU- Beitrittsgesprächen ging. Man konnte lizitieren, weil man noch andere Interessenten bei der Hand hatte, darunter das nun siegreiche Konsortium um die norwegische Statoil, die deutsche Eon und die Schweizer Axpo namens Trans Adriatic Pipeline (TAP).

Um das Projekt doch noch zu retten, bot das Nabucco-Konsortium den Gaslieferanten eine abgespeckte, billigere Version an: Nabucco West sollte von der türkisch-bulgarischen Grenze 1300 km bis nach Baumgarten führen - bei deutlich reduzierten Kosten von knapp vier Milliarden Euro. Allein, es half nichts. Nun soll das Erdgas ab 2018 über eine rund 800 km lange Pipeline von der türkisch-griechischen Grenze durch Albanien nach Brindisi strömen.

Die OMV beziffert ihren Kostenanteil für Planungsarbeiten rund um Nabucco mit 50 Millionen Euro. Das Geld sei nicht verloren, man könne beim Bau einer eigenen Pipeline auf den vorhandenen Studien aufbauen, sagte Roiss.

EU-Kommissar Günter Oettinger will erst nach der am Freitag erwarteten offiziellen Entscheidung Stellung nehmen. Die Anleger haben die Entscheidung positiv aufgenommen, die OMV-Aktie legte um gut zwei Prozent zu. (Günther Strobl, DER STANDARD, 27.6.2013)