Istanbul - Als "Urteile wie ein Erdbeben" beschrieb Hürriyet am Tag danach den Bannstrahl der europäischen Fußballunion (Uefa) gegen Fenerbahçe und Besiktas, wo der Österreicher Veli Kavlak arbeitet, wegen tiefer Verstrickung in den türkischen Manipulationsskandal von 2011. Weil die Strafen allerdings auch wie von der Zeitung Günebakiz als "Sieg für die globale Gerechtigkeit" gewertet werden können, wirken die Uefa- Entscheidungen über massive finanzielle Folgen für die Vereine hinaus auch als Ohrfeigen für den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und den nationalen Verband TFF.
"Ein schwarzer Tag für den türkischen Fußball", kommentierte Habertürk den Europacup-Ausschluss von Vizemeister Fenerbahçe für drei Jahre und des Süper-Lig-Dritten Besiktas für eine Saison.
Das Blatt hatte bei seiner Einschätzung allerdings auch die Kandidatur der Türkei für die EM 2020 im Blick, denn die Urteile lassen den Kandidaten wegen seines willfährigen Umgangs mit Spielmanipulationen nicht gerade in günstigem Licht erscheinen. Nicht zuletzt auf Druck von Fener-Mitglied Erdogan hatte der TFF die beiden Klubs trotz "klarer Beweise" (Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino) straffrei davonkommen lassen.
Auf Uefa-Ebene hingegen war Erdogans Arm zu kurz. Gestützt auf Urteile der türkischen Justiz nach Anklagen gegen insgesamt 93 Personen, war für die Disziplinarkommission zweifelsfrei erwiesen, dass sich in der Saison 2010/11 Fenerbahçe den Meistertitel ebenso durch verbotene Absprachen gesichert hatte wie Besiktas den Cupsieg.
Der TFF war mit Erdogans Rückendeckung davor zurückgeschreckt, die Vereine zu sanktionieren und wollte lediglich verantwortliche Personen zur Rechenschaft ziehen. Fenerbahçe und Besiktas dürfen sich bis heute mit ihren illegal erworbenen Titeln von 2011 schmücken.
Beinahe zeitgleich mit der Urteilsverkündung am Uefa-Sitz in Nyon setzte ein Istanbuler Amtsgericht den bisherige Fener-Boss Aziz Yildirim, einen Unternehmer, der mit den Militärs Geschäfte macht, nach einer Klage eines Beiratsmitgliedes bis auf weiteres ab. Noch während des Prozesses um den Bestechungsskandal, in dem Yildirim wegen Bildung und Leitung einer organisierten Bande zu sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde, hatten die Fener-Mitglieder ihren seit 1998 amtierenden Präsidenten wiedergewählt.
Finanziell zeichnet sich durch den Ausschluss aus Europa, gegen den beide Klubs Einspruch angekündigten, ein Desaster ab. Hürriyet bezifferte Feners Verlust mit 35 Millionen, jenen von Besiktas mit 15 Millionen Euro. An Istanbuls Börse brachen zudem die Kurse am Mittwoch zu Handelsbeginn ein. Fener-Aktien stürzten um 9,2 Prozent ab, die Besiktas-Anteile um 7,6 Prozent.
Fenerbahçe war für die letzte Runde der Champions-League-Quali gesetzt und durfte auf zweistellige Millioneneinnahmen in der Gruppenphase hoffen, während Besiktas in der Europa League antreten sollte. Besiktas verpflichtete dennoch den früheren kroatische Teamchef Slaven Bilic als neuen Trainer. (sid, bez, DER STANDARD, 27.6.2013)