Foto: Adams

"Bevor man jemanden fotografiert, sollte man ganz genau wissen, wie." Bryan Adams verlässt sich nur ungern auf Zufälle. Als er Ben Kingsley 2010 in London fotografierte, hatte er deswegen einen Morgenrock dabei.

Foto: Adams

Seine ersten Fotos schoss er von Bandkollegen. Irgendwann fragte "Marie Claire" an, ob er nicht andere Stars fotografieren wolle: Seit über zehn Jahren macht das Musiker Bryan Adams jetzt auch.

>>>Zur Ansichtssache: "Exposed": Fotos von Bryan Adams

Foto: Adams

Zu jedem wirklichen Rockstar gehört der Ruf, ein bisschen schwierig zu sein. Bei Bryan Adams äußert sich das in Pressekonferenzen, die angekündigt und dann verschoben, in Fototerminen, die abgesagt und wieder in Aussicht gestellt werden, in Pressereferenten, die sich nervös Luft zufächeln. Aber hey, der Mann ist ein Star. Und während andere Berühmtheiten höchstens ein Interview geben, gibt Adams an diesem Vormittag gleich fünf.

Das würde er nicht machen, stünde er in der Wiener Stadthalle mit seiner Gitarre auf der Bühne. Stattdessen sitzt er verknautscht in der Galerie Ostlicht in Wien-Favoriten. Die Augen werden von einer Ray Ban verdeckt, darunter zeichnet sich so etwas Ähnliches wie ein höfliches Lächeln ab. Schon klar: Journalisten sind nicht unbedingt Adams liebste Zeitgenossen. Sie wollen wissen, wie es bei der Queen war. Warum er es nötig habe, für Milka zu fotografieren. Oder ob es einen Grund gibt, warum er heute keine freundlichen Nasenlöcher macht.

Ein guter Blick

Auf solche Fragen muss man wirklich keine Lust haben. Also fängt man lieber mit etwas Unverfänglichem an. Wann, Herr Adams, haben Sie denn entdeckt, dass Sie mehr als ein Talent haben? Eine gute Einstiegsfrage eigentlich. Er könnte von seiner Jugend als Kind kanadischer Diplomaten erzählen, davon, dass er schon immer Musik machen wollte. Dann aber auch eine Leidenschaft für Fotografie entwickelte. Stattdessen sagt Bryan Adams: "Über solche Fragen denke ich nicht nach." Ist auch eine Antwort. Nur keine, die man hören wollte.

Die Sache ist nämlich die: Dieser Mann schießt ziemlich gute Fotos. Dreht man in der Galerie Ostlicht eine Runde, kriegt man eine Ahnung davon. Blättert man aber den im vergangenen Jahr bei Steidl erschienenen Wälzer durch (Bryan Adams: Exposed), wird es offensichtlich. Ben Kingsley im Bademantel, Udo Kier im neonroten Anzug, Amy Winehouse mit Joint. Ein Star fotografiert Stars. Das könnte auch in die Hose gehen. Greift Karl Lagerfeld zur Kamera, wünscht man sich oft, er würde lieber an einer Bordüre nesteln. Steht Bryan Adams auf der Konzertbühne und schmachtet "Everything I do I do it for you", würde man ihm dagegen gerne einen Fotoapparat in die Hand drücken. Adams hat einen guten Blick, versteht etwas von Licht. Weiß, dass die meisten seiner Objekte schon tausendmal fotografierte wurden. Totfotografiert. Und dass er sie in diesem einen Moment wieder zum Leben erwecken muss.

Also, Herr Adams: "Was ist das, ein gutes Foto für Sie?" Für einen Moment denkt er nach, es ist sicher nicht das erste Mal, dass dem in London lebenden 53-Jährigen diese Frage gestellt wurde. "Wenn man bei einem Bild innehält" sagt er, "wenn man ein zweites Mal draufschaut, einen ein Foto reinzieht, man sich nicht mehr von ihm lösen kann."

Britische Kriegsheimkehrer

Na also, geht doch. Die Antwort ist vielleicht nicht originell, dafür nimmt man sie dem Mann ab. Bryan Adams ist kein Freund der vielen Worte, wird es kompliziert, dann winkt er ab. Nur zweimal während des Gesprächs schaut es so aus, als rege sich da etwas bei ihm: das eine Mal, wenn er von den paar Monaten erzählt, die er als Kind in Wien verbrachte und sich sehnsüchtig nach Sachertorte und Apfelstrudel verzehrte, und das andere Mal, wenn die Rede auf sein Veteranenprojekt kommt.

Neben all den Sean Penns, Lindsay Lohans und Danny Trejos fotografierte er in den vergangenen Jahren auch britische Kriegsheimkehrer aus dem Irak und Afghanistan. Veteranen mit entstellten Gesichtern oder fehlenden Gliedmaßen. Es sind Bilder von Menschen, die mit der gleichen Sorgfalt in Szene gesetzt wurden wie all die glitzernden Berühmtheiten. Die Presse, sagt er, zeige den Krieg nicht, dürfe ihn nicht zeigen. Ihm könne aber niemand verbieten, die Folgen des Krieges anschaulich zu machen.

Ob Fotografen die Aufgabe hätten, aufzuklären? Fragen nach Ethik und Moral zu stellen? Da ist er wieder der unwirsche Barde. Die Frage versteht Adams nicht, will er nicht verstehen. Lieber scrollt er minutenlang auf seinem Handy rum, um einen holländischen Fotografen zu finden. Findet er aber nicht.

Macht nichts. Die 15 Minuten, die man mit dem Star aus London verbringen durfte, sind um. Später wird er doch noch eine Pressekonferenz geben - für ganze zwei Minuten und 30 Sekunden. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 28.6.2013)