Wien – SPÖ, ÖVP und Grüne haben sich am Dienstag auf ein Demokratiepaket geeinigt. Am Freitag soll es im Verfassungsausschuss eingebracht werden. Der wichtigste Punkt: Volksbegehren sollen verpflichtend zu einer Volksbefragung führen, und zwar ab einer Bürgerbeteiligung von zehn Prozent. Die Grünen hatten ursprünglich eine Hürde von vier Prozent gefordert.
Wenige Ausnahmen
"Die ÖVP wäre von den zehn Prozent nicht hinuntergegangen", sagt Daniela Musiol, Verfassungssprecherin der Grünen, die das Paket für ihre Partei verhandelt hat, zum STANDARD. "Deswegen war es wichtig die Liste der Ausnahmen so kurz wie möglich zu halten."
Die Ausnahmen, über die von der Bevölkerung nicht abgestimmt werden kann, betreffen EU-Recht, Völkerrecht und Grund- und Menschenrechte. Bei Verfassungsbestimmungen liegt die Hürde bei 15 Prozent.
Am Mittwoch sollen auch die anderen Parteien, also FPÖ, BZÖ und das Team Stronach zu einer Runde geladen werden, um eventuell eine Fünf-Parteien-Einigung zu erreichen.
Sechs Wochen Begutachtung
Bundespräsident Heinz Fischer hatte zuvor Bedenken gegen die geplante Einführung verpflichtender Volksbefragungen geäußert und sein "besonderes Unverständnis" über das Vorhaben von SPÖ, ÖVP und Grünen geäußert, "die vermutlich gravierendste Verfassungsänderung der Zweiten Republik ohne Begutachtungsverfahren durchzuführen".
Die Grünen betonen nun, dass es eine sechswöchige Begutachtung geben soll. Sie beginnt, nachdem der Beschluss am Freitag in den Ausschuss kommt. Damit geht sich ein Gesetzesbeschluss nicht mehr vor der Sommerpause des Nationalrates aus – er könnte aber noch vor der Wahl im Herbst in Form einer Sondersitzung über die Bühne gehen. Konkret bedeutet das Gesetz: Nimmt das Volksbegehren die Hürde von zehn Prozent und wird vom Nationalrat nicht als solches als Bundesgesetz beschlossen, dann kommt es zu einer Volksbefragung. Der Nationalrat könne aber auch einen Alternativvorschlag vorlegen, sagt Musiol, sodass der Wähler dann eine dieser beiden Varianten oder keine von beiden wählen könne.
Im Paket enthalten ist auch eine zentrale Wählerevidenz und die Onlineunterstützung von Volksbegehren.
SPÖ-Klubobmann Josef Cap hatte dem STANDARD zuvor mitgeteilt, das Ziel sei einen Gesetzestext aufzustellen und den am Freitag im Verfassungsausschuss einzubringen. "Alles Weitere muss mit den anderen Parteien abgesprochen werden."
Cap: U-Ausschüsse auf ein Jahr begrenzen
Nicht enthalten ist eine Ausweitung der Minderheitsrechte, also die Möglichkeit der Opposition, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.
Das könnte allerdings über einen Kunstgriff erreicht werden: Etwa wenn sich eine Initiative der Sache annimmt, und dann über ein Volksbegehren eine Volksbefragung erreicht. Das Thema Untersuchungssausschüsse korreliert mit keinem der ausgenommenen Grundrechte.
Cap will für Ausschüsse eine zeitliche Begrenzung von einem halben bis maximal einem Jahr einführen, "in sechs Monaten sollte man mit einem Themenkomplex fertig sein können", sagt der Klubobmann. "Die Bürger haben das Recht, dass es ein absehbares Ergebnis gibt."
Das sei schließlich auch eine Frage der Kapazitäten. Viele Abgeordnete würden am Limit arbeiten. Deshalb sollten die materiellen Hilfen für die Abgeordneten verbessert werden, "um die Demokratie aufrechtzuerhalten". Konkret bedeutet das, es müsste mehr Geld für bessere Arbeitsbedingungen und einzelne Projekte geben. (Katrin Burgstaller, Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 26.6.2013)