Es stimmt: Meinungsforscher haben einen ähnlich schlechten Ruf wie Wetterfrösche. Gleichgültig, dass sie mit ihren Wahlprognosen meistens ganz gut liegen - geht die Wahl einmal anders aus als gedacht, ergießen sich Spott und Häme über sie. Dann wird oft der Ruf laut, man müsse die Veröffentlichung solcher Umfragen in den Wochen vor der Wahl verbieten, weil sie - ob richtig oder falsch - die Wählerentscheidung auf unzulässige Weise beeinflussen würden. In Frankreich, Italien oder Spanien ist dies ja bereits der Fall.

In einem Rechtsstaat kann niemand andere daran hindern, Umfragen durchzuführen. Nur die Veröffentlichung kann untersagt werden. Dies ist allerdings ein gravierender Eingriff in die Pressefreiheit und in Zeiten des Internets ziemlich ineffektiv. Sollten Umfragen kurz vor dem Urnengang tatsächlich den Wählerwillen verfälschen oder die Beteiligung drücken, wäre dies dennoch zu überlegen.

Doch gerade dafür gibt es keine Belege. Im Gegenteil: Berichterstattung über Umfragen sorgt oft für genau jene Spannung, die Wähler doch noch zur Urne bringt.

Bei einem Veröffentlichungsverbot bleibt die letzte erlaubte Umfrage stehen, über spätere Meinungsschwenks wird nur noch getuschelt. Das ist viel verzerrender als jede Befragung. Gerade weil Demoskopen nicht immer richtig liegen, sind Umfragen kein demokratiepolitisches Problem: Entschieden wird die Wahl erst in der Wahlzelle. (Eric Frey, DER STANDARD, 24.6.2013)