Die bemerkenswerteste Äußerung von Papst Franziskus während seiner ersten 100 Tage war das eher beiläufig produzierte Eingeständnis: "Es wird viel über eine Schwulen-Lobby im Vatikan gesprochen – und, ja, es gibt sie" .

Überraschend daran ist nicht die – behauptete – Tatsache, sondern, dass sie ein Papst so cool bestätigt (laut der Aussage eines Mitglieds einer lateinamerikanischen Delegation), wobei sich die Frage stellt: Gibt es eine Lobby von schwulen Priestern, Monsignori oder gar Kardinälen, die schwule Thematik lobbyiert? Oder sind das einfach Seilschaften, in denen die Mehrzahl schwul ist und daher einen höheren Zusammenhalt bzw. eine höhere Intrigenpower hat? Das Faktum selbst, dass es in engen Männergemeinschaften wie auf hoher See oder beim Militär eine erhöhte Homosexualitätsrate gibt, dürfte niemanden überraschen.

Bleibt die Frage: Wird der Papst aus dieser Erkenntnis irgendwelche Konsequenzen ziehen? Sicher nicht die, die Haltung der katholischen Kirche zur Homosexualität zu ändern. Die hat sich ja seit einigen Jahren von der Androhung ewiger Verdammnis auf ein freundlich-irreales "Man darf schwul veranlagt sein, aber soll die Veranlagung nicht ausleben" geändert, was, wie den Rest der offiziellen Sexualmoral der Kirche eh niemand mehr ernst nimmt. Nicht falsch wäre, wenn der neue Papst mit allerlei Cliquen im Vatikan, schwul oder nicht, aufräumt. (DER STANDARD, 22.6.2013)