Die Installationsroutine von Linux Mint ist praktisch deckungsgleich mit jener von Ubuntu.

Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Eine der beiden Desktops auf die sich Linux Mint konzentriert: Cinnamon.

 

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Mittlerweile gibt es ein eigenes Einstellungs-Tool.

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Der Klick auf die "Advanced Settings" bringt meist keine neuen Optionen zum Vorschein.

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Desklets sind neu hinzugekommen. Einige wenige sind vorinstalliert, weitere lassen sich herunterladen.

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Die neuen Softwarequellen von Linux Mint.

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Der Dateimanager Nemo ist eine Abspaltung des GNOMEschen Nautilus.

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Ein neuer, HTML-basierter Greeter, der auch Animationen per WebGL anzeigen kann.

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Mit MATE steht auch eine GNOME2-Abspaltung zur Verfügung.

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Bei dieser gibt es zwar nur wenig wirklich aktive Entwicklung aber einen klassischen Desktop.

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Auch wenn Linux traditionell vor allem im Server-Bereich stark ist, versuchen sich doch viele Distributionen daran ein möglichst gutes Desktop-System abzuliefern. Als minimal angepasste Ubuntu-Variante gestartet, hat sich Linux Mint längst zu einem unabhängigen System gemausert und so vom Status als Geheimtipp emanzipiert. Vor kurzem wurde eine neue Version der Softwaresammlung veröffentlicht, Zeit also einen Blick auf das aktuell Gebotene zu werfen.

Auswahl

Wer Linux Mint 15 "Olivia" herunterladen will, muss sich zuerst einmal für eine Variante entscheiden. So gibt eine Version mit dem modernen Cinnamon-Desktop sowie eine Ausgabe mit dem GNOME2-artigen MATE. Darüber hinaus gibt es von beiden noch Varianten mit und ohne vorinstallierten Audio/Video-Codecs, um die weltweit in dieser Hinsicht variierende Rechtslage zu würdigen. Die meisten werden sich hier aber wohl für die bequemere Variante samt Codecs entscheiden. Der Umfang der Images beträgt immer um die 1 GByte, sie lassen sich wahlweise auf USB-Stick oder DVD bannen.

Installation

Die Installation verläuft ebenso reibungsfrei wie flott und ohne große Überraschungen. Ist der Mint-Installer doch praktisch deckungsgleich mit jenem von Ubuntu. Auch sonst übernimmt Linux Mint 15 weiterhin große Teile von Ubuntu 13.04 beziehungsweise von dessen Basis Debian.

Wahlmöglichkeit

Vor dem Desktop steht der Login-Screen, und hier zeigt sich gleich eine entscheidende Grundphilosophie von Mint: Möglichst hohe Flexibilität und Wahlfreiheit. Hier werden also mehr Optionen als beispielsweise von Unity oder GNOME gewohnt geboten. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass mittlerweile drei Greeter zur Auswahl stehen, wobei der diesbezügliche Neuzugang ganz auf Web-Technologien setzt. Damit lassen sich dann interaktive Themes mithilfe von HTML, CSS, Javascript und sogar WebGL bauen. Ein entsprechend animiertes Beispiel wird gleich mitgeliefert. Das zur Konfiguration des Login-Bildschirms genutzte Einstellungsprogramm wurde in der aktuellen Version ebenfalls erweitert.

Cinnamon

Auf Basis der GNOME Shell ist der maßgeblich vom Mint-Projekt selbst entwickelte Cinnamon-Desktop entstanden. Dieser versteht sich als Versuch einen "klassischen" Desktop auf moderner Basis zu liefern. Ähnlich wie in früheren, GNOME2-basierten, Mint-Versionen gibt es hier also ein Panel am unteren Bildschirmrand samt der Möglichkeit Applets hinzuzufügen. Das wichtigste davon ist wohl das Startmenü, aber auch Einträge für Netzwerk, Musik oder einen Kalender gibt es.

Neues

Mit Mint 15 hält die Version 1.8 von Cinnamon Einzug, die diverse Neuerungen einführt. So werden nun sogenannte Desklets unterstützt, darunter darf man sich ein Widget-System, wie es von anderen Plattformen bekannt ist, vorstellen. Eine nette Idee, die derzeit aber noch etwas darunter leidet, dass die Auswahl an verfügbaren Desklets etwas gar spartanisch ist. Allgemein bleibt abzuwarten, ob die Desklets erfolgreicher sein werden als ihre zahllosen Pendants auf anderen Desktop-Systemen

ForkForkFork

Ein Motto zieht sich durch die gesamte Mint-Welt: Die Abspaltung von bestehenden GNOME-Projekten, um diese nach eigenen Vorstellungen anzupassen. In Form von Nemo gibt es seit dem vergangenen Jahr einen eigenen Dateimanager für Cinnamon, dessen Herkunft im Nautilus-Projekt allerdings unübersehbar ist.

Nemo

Mit der aktuellen Version übernimmt Nemo denn auch einige User-Interface-Änderungen der letzten Nautilus-Releases, bringt aber gleichzeitig eigenständige Neuerungen ein. Dazu gehören diverse Knöpfe in der Statuszeile, die etwa zum Ein- und Ausblenden der Seitenleiste gedacht sind. Wirklich konsistent ist das alles allerdings nicht gelöst, ein Knopf ist als Wechselschalter ausgeführt, zwei daneben sind hingegen wechselweise zu betätigen.

Bonus

Nett ist hingegen die Anzeige des freien Speichers bei Datenträgern sowie die Möglichkeit ganze Kategorien in der Seitenleiste auszublenden. Zudem können eigene Einträge im Kontextmenü über eine entsprechend gestaltete Datei in /usr/share/nemo/actions hinzugefügt werden.

Einstellungsfrage

Mit den Cinnamon Settings verabschiedet sich der Mint-Desktop von einem weiteren GNOME-Tool, auch wenn hier natürlich die selbe Codebasis gegeben ist. Ziel ist es all die Einstellungsprogramme - von Ubuntu über GNOME bis zu Cinnamon-spezifischem - zusammenzuführen. Bislang ist dies eher durchschnittlich gelungen, manche Tools öffnen sich in einem separaten Fenster, andere direkt "inline". Allerdings muss fairerweise erwähnt werden, dass Ubuntu das auch nicht besser hinbekommt.

Erweitert

Jenen, die gern im Detail am Desktop feilen, will man mit optionalen Feineinstellungen etwas bieten. Diese sind über den Punkt "Advanced Settings" bei vielen Einstellungspunkten zu erreichen. Sollte man zumindest meinen, in den meisten Fällen bringt der Klick auf diesen Punkt nämlich exakt nichts neues zum Vorschein. Cinnamon-spezifisch sind vor allem die Punkte zur Konfiguration von Themes, Desklets oder auch das Verhalten der "Hot Corners", also was passiert wenn die Maus in der Ecke des Bildschirms landet.

Eigene Programme

Neu in der aktuellen Release ist desweiteren ein einfach gehaltener Bildschirmschoner, sowie grafische Tools um zusätzliche Applets, Themes und Extension direkt vom Desktop herunterzuladen. Bisher musste dafür die Webseite von Cinnamon aufgesucht werden. Bei Rechnern, die nicht die nötige Hardwareunterstützung bieten, wird nun automatisch auf Software-Rendering gewechselt.

Software

Mit den MintSources werden die "Softwarequellen" von Ubuntu durch eine Eigenentwicklung ersetzt, die vor allem mehr Flexibilität bieten soll. Damit ist beispielsweise der schnelle Zugriff auf "Backports" oder "Unstable"-Pakete aus dem weiteren Softwareökosystem gemeint. Außerdem ist ein Dialog enthalten, der bei der Auswahl des schnellsten Spiegel-Servers helfen soll.

Treiber

Auf Basis der diesbezüglichen Ubuntu-Lösung gibt es nun einen Mint-eigenen "Treibermanager". Auch hier sollen mehr Infos auf den ersten Blick sichtbar sein etwa die konkrete Versionsnummer. Zudem gibt es Icons für diverse prominente Hersteller etwa ATI oder Nvidia. Apropos optische Repräsentation: Die Themes und Icons von Mint sind wie immer gut gelungen, in der aktuellen Version hat man zudem an der Vereinheitlichung des Looks für GTK+2 und GTK+3-Anwendungen geschraubt.

MATE

Alternativ zu Cinnamon kann - wie Eingangs bereits erwähnt - auch MATE als Desktop genutzt werden. Dabei handelt es sich um eine GNOME2-Abspaltung, die ebenfalls maßgeblich vom Mint-Projekt getragen wird. Deren aktuelle Version 1.6 bringt vor allem den Abschied von vielen veralteten Technologien und die Hinwendung zu aktuellen GNOME-Technologien wie GSettings. Dies soll die Wartbarkeit des Projekt für die Zukunft erleichtern.

Details

Die sichtbaren Neuerungen halten sich hingegen in engen Grenzen: Es gibt kleinere Verbesserungen am Dateimanager, die von Nemo und Nautilus übernommen wurden. Zudem können Fenster in der entsprechenden Liste nun per Mittelklick geschlossen werden. Und dann gibt es noch eine Handvoll neuer Einstellungen etwa zur (De-)Aktivierung des Compositing.

Fragwürdig

Allgemein scheint sich rund um das MATE-Projekt also vergleichsweise wenig zu tun. Angesichts des Vorhandenseins von Cinnamon und auch des "klassischen" Modus in der aktuellsten GNOME-Version stellt sich zudem die Frage, ob die Arbeit für die laufende Anpassung auf neue Basistechnologien wirklich gut investiert ist. Klar läuft MATE auch auf Rechnern, die mit Cinnamon oder GNOME Shell nicht mehr laufen. Ob dies angesichts aktiverer Alternativ-Projekte wie Xfce eine große Zukunftsperspektive bietet, müssen die EntwicklerInnen aber letztendlich natürlich selbst entscheiden. Immerhin ist es ihre Zeit, die sie einbringen.

Software

In Fragen Softwareausstattung liefert Mint 15 beinahe dasselbe wie Ubuntu 13.04, also all die klassischen Desktop-Programme wie Firefox, LibreOffice oder Thunderbird. Dazu kommen aber noch ein paar zusätzliche Anwendungen wie etwa der Videoplayer VLC.

Fazit

Gerade für Linux-Neulinge ist Linux Mint 15 eine äußerst interessante Option. Wo bei vielen anderen Distributionen nach der Installation oft noch nachgebessert werden muss, ist hier bereits alles für den Alltag Notwendige von Haus aus eingerichtet. Zudem ist der Desktop-Aufbau dermaßen gestaltet, dass sich Windows-Abtrünnige schnell zurechtfinden sollten.

Zukunftsfragen

Mit Spannung darf die weitere Zukunft von Mint aber auch noch aus einer anderen Perspektive beobachtet werden. So hat das Projekt bereits angekündigt sich weiter von der Ubuntu- und GNOME-Basis entfernen zu wollen. Dies wird auf Dauer ein erheblich größeres Entwicklungsaufkommen bedeuten, vor allem wenn sich die Code-Basis weiter entfernt und so der Aufwand für die Rückportierung von neuen Funktionen unweigerlich steigt. Ob Linux Mint diese neuen Herausforderungen stemmen kann, ohne dass sich dies negativ auf Softwarequalität und Stabiltät auswirkt bleibt noch abzuwarten. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 23.06.13)