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Demonstration vor dem Parlament in Sofia.

Foto: REUTERS/Stoyan Nenov

Sofia/Istanbul - Der Mann des Anstoßes ist weg, doch die Proteste gehen weiter: "Ostawka" steht auf den Schildern, "Rücktritt" verlangen die Leute abends auf den Straßen im Zentrum von Sofia und ziehen vor den Sitz der sozialistischen Partei. Drei Wochen ist Plamen Orescharski erst im Amt, auf den Schildern ist er als Marionette aufgemalt. Eine einzige Personalentscheidung hat einen Sturm der Empörung in dem Balkanland ausgelöst.

Innenminister Tswetlin Jowtschew druckst im Morgenfernsehen herum. Es sei eine "politische Entscheidung" gewesen, sagte der Minister am Freitag. In der Vorwoche hatte das Parlament mit den Stimmen der Sozialisten und den Abgeordneten der türkischstämmigen Bulgaren von der DPS den jungen Medienmogul Delyan Peewski zum neuen Chef des Geheimdienstes gemacht. Sozialisten und DPS regieren seit den vorgezogenen Neuwahlen vom Mai nur mit einem Patt im Parlament: Abstimmungen werden gewonnen, wenn Abgeordnete der Opposition fehlen oder bewusst das Plenum verlassen.

Gesetzesänderungen für Ernennung

Die Wahl des 32-jährigen Peewski, der zusammen mit seiner Mutter die größte Mediengruppe in Bulgarien führt, hat die Öffentlichkeit fassungslos gemacht. Gesetze wurden geändert, um den unerfahrenen Peewski in das Amt zu hieven. Sozialistenchef Sergej Stanischew verteidigte die Entscheidung mit der Begründung, er wollte jemanden an der Spitze des Geheimdienstes haben, der die Bekämpfung der Korruption ernst nehme. Die Erklärung fand nur Spott.

Premier Orescharski entschuldigte sich für den "politischen Fehler", das Parlament machte am Donnerstag Peewskis Ernennung rückgängig. Veranlasst wurde sie vom mächtigen früheren Parteichef der DPS, Ahmed Dogan, so gab Boiko Borissow an, der Ex-Premier. Die Vermutung liegt nahe, dass Borissow ein Interesse an den Demonstrationen habe. Er war vergangenen Februar nach Massenprotesten zurückgetreten, verlor dann aber die Neuwahlen. Vorwürfe der Sozialisten, die Proteste seien bezahlt, wiesen die Demonstranten auf Schildern zurück: "Wir brauchen kein Geld. Wir hassen euch umsonst!" (Markus Bernath, DER STANDARD, 22.6.2013)