Robert Pfaller gibt seine charmante Freiheitsrhetorik wieder einmal zum Besten ("Plötzlich breiten Leute im Pyjama ihre Marotten aus", DER STANDARD, 15./16. Juni), und mein Kopf raucht ungläubig mit: Nun also will der heitere Austro-Epikureer sein überaus vergnügliches Genussprogramm tatsächlich als wutbürgerlichen Ernst verstanden wissen. Bevormundete Bürger/-innen, empört euch und macht von euren Vetorechten Gebrauch - bloß, wogegen?

Rauchverbote, natürlich! In ihnen erkennt Pfaller eine zentrale Verschwörung gegen unsere Freiheit. Zugleich fordert er von der "impotenten" Politik aber ein viel härteres Vorgehen gegenüber den ach so neoliberalen Finanzmärkten. Nur, warum sollte "die Politik" dann nicht auch jene Tabakindustrie regulieren, die sich auf Kosten solidarisch organisierter Gesundheitssysteme und der einzelnen Bürger/-innen ihre Paläste baut?

Klarer Fall: Rauchen kann im Einzelfall auch Spaß machen, und man will sich von den uncoolen und offenbar auch "entsolidarisierten" Erbsen- und Lungenkrebszählern in unseren geblendeten Gesundheitsbehörden ja nichts sagen lassen. Eher möchte man nach diesen Maßstäben Pfaller auch gerne empfehlen, sein populäres Vorurteil gegenüber der Finanzindustrie zu überdenken. Dort fände er viele Gleichgesinnte, die seit langem konsequent vorleben, wovon man als Philosoph so gerne theoretisiert: verspieltes Handeln im großen Stil (mit Identitäten ebenso wie Derivaten), luxuriöser und genussorientierter Lebenswandel, selbstbewusste, schildbürgerliche Freiheit von der ewigen Bevormundung!

Klingt nach Werte-Chaos? Pfallers philosophische Biegsamkeit bleibt uns aber auch die Orientierung nicht schuldig und verirrt sich kurzerhand in eine makabere Lobpreisung eines öffentlich-rechtlichen Retro-Rundfunks im Prä-1990er-Stil. Ach, damals, als im Fernsehen Politik noch ihren Platz hatte und "vorwiegend gut gekleidete Menschen" sich zu gesellschaftlichen Fragen öffentlich austauschten - und zwar ganz "sachlich". In einer solchen demokratischen Top-down-Pädagogik, in der Vater Staat mit altbewährter Autorität verkündet, was Sache und somit Demokratie zu sein hat, erkennt der Pfaller'sche Freigeist anscheinend keine Bevormundung - Hauptsache, gut gekleidet und kein Trash, damit die eigene Identität sich zwischen all diesen eleganten Einzelbeobachtungen und pop-philosophischen Beliebigkeiten ja nicht in den Vordergrund drängt!

Die Freiheit, über die Pfaller so virtuos doziert, sei eine Freiheit von "pathologischen Marotten". Ich bin so frei und sehne mich - mit Kant, ganz klar! - außerdem nach etwas mehr Hintergründigkeit und Zusammenhang. Denn Pfallers philosophisches Potpourri tut letztlich genau das, wovor er uns so eindringlich warnt: den politischen Ernst der Gegenwart als eine Frage von Rauchen, krummen Gurken und TV-Programmkritik maximal gefällig abzuhandeln. (Fabian Faltin, DER STANDARD, 20.6.2013)