Franz Essl, Wolfgang Rabitsch (Hrsg.): "Biodiversität und Klimawandel - Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Mitteleuropa", Springer Verlag, 458 Seiten, 51,39 Euro

Coverfoto: Springer

Wien - Der Siebenschläfer ist zwar ein Nagetier, ergänzt aber seinen Speiseplan gerne mit Eiern und Nestlingen von Singvögeln und kann sogar brütende Elterntiere töten. Weil es im Frühling um einiges wärmer ist als vor 30 Jahren, wacht er im Schnitt vier Wochen früher aus seinem Winterschlaf auf und gefährdet mehr Jungfamilien von Meise, Kleiber und Co. So hat der Klimawandel eine grundlegende ökologische Beziehung, das Räuber-Beute-Verhältnis, verändert und kann damit die Artenvielfalt gefährden. Dies ist ein Beispiel von vielen Konsequenzen des Klimawandels auf die Natur aus dem Buch "Biodiversität und Klimawandel" (Springer Verlag), das in der abgelaufenen Woche in Wien vorgestellt wurde.

In dem von Franz Essl und Wolfgang Rabitsch vom Umweltbundesamt herausgegebenen Buch mit dem Untertitel "Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Mitteleuropa" haben 74 Experten die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Folgen des Klimawandels auf die Pflanzen, Tiere und Ökosysteme in Mitteleuropa umfassend und minutiöse aufbereitet. Sie präsentieren dafür viele aktuelle Daten und haben etliche Beispiele gesammelt, wie der Klimawandel die Lebensgrundlagen verschiedener Arten verändert. Einerseits zeigen sie auf, dass schon etliche Veränderungen stattgefunden haben, andererseits präsentieren sie mögliche Zukunftsszenarien. Vielen Verlierern steht dabei eine deutlich geringere Anzahl von Gewinnern gegenüber, so die Experten.

Hilfe zur Anpassung

"Der rasch fortschreitende Klimawandel überfordert die Anpassungsmöglichkeiten der Natur bei weitem", so Essl. Viele Pflanzen und Tiere seien auch zu wenig mobil, um in geeignete Gebiete abzuwandern. Außerdem würde die geringe Vernetzung der natürlichen Lebensräume die Ausbreitung vieler Arten beschränken, schreiben die Autoren. Indem man Biotope verbindet, könnte man die Wandermöglichkeiten von Arten unterstützen, die wegen des Klimawandels auf Wanderschaft sind, meinen sie.

Weil der Klimawandel unaufhaltsam sei, müsste der Naturschutz sich mit einem erhöhten Maß an Veränderungen abfinden und dies in seine Konzepte integrieren, schreiben die Experten. So wäre es wenig zielführend, Arten mit hohem Aufwand weiter in einem Gebiet schützen zu wollen, wenn dort wegen des Klimawandels gar keine passenden Lebensbedingungen mehr für sie sind. Vielleicht könnten dort mittlerweile andere naturschutzfachlich wertvolle Arten geeignete Bedingungen finden, erklärten sie.

Um zu überprüfen, wie effektiv ein Schutzgebiet ist, seien vermehrt Erfolgskontrollen nötig. In Österreich liegt zwar ein Biodiversitätsmonitoring-Konzept vor, "eine umfassende Umsetzung war aber bisher mangels finanzieller Ausstattung nicht möglich", schreiben die Experten. "Hier herrscht also hoher Handlungsbedarf."

Zusammenarbeit auf allen Ebene nötig

Um die Folgen des Klimawandels für die Artenvielfalt und Ökosysteme zu begrenzen, sei es vor allem wichtig, seine Ursachen "ambitioniert auf nationaler und internationaler Ebene" zu bekämpfen. Dabei könnten auch viele bewährte Naturschutz-Maßnahmen an Bedeutung gewinnen, wie die Renaturierung von Feuchtgebieten und der Schutz alter Wälder, erklärten die Experten.

Das Buch entstand aus der Zusammenarbeit des österreichischen Umweltbundesamtes, des deutschen Bundesamtes für Naturschutz, des Schweizer Bundesamtes für Umwelt, des Schweizer Bundesamtes für Meteorologie, des österreichischen Wissenschaftsministeriums und des oberösterreichischen Umweltressorts. (APA/red, derStandard.at, 22. 6. 2013)