Kampf gegen Terror sei für viele wichtiger als die Grundrechte, kritisiert Ulrike Lunacek.

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Wien - Jahrelang galt das Europäische Parlament (EP) als starker Vorkämpfer für Grund- und Bürgerrechte in der EU-Justiz- und Innenpolitik, vor allem gegenüber den nationalen Regierungen, die sich mehr um Fragen der Sicherheit kümmerten. Doch seit der 2009 in Kraft getretene Lissabon-Vertrag dem EP auch in diesem Bereich Mitspracherechte einräumt, hätten die Parlamentarier ihre Haltung geändert und zeigten sich viel eher bereit, restriktive Positionen des Ministerrats zu akzeptieren. Das stellen die Politikwissenschafter Florian Trauner und Ariadna Ripoll Servent in einer Studie fest, die für das Institut für europäische Integrationsforschung gerade erstellt und vom Forschungsförderungsfonds (FWF) finanziert wird.

Die Studie wurde am Dienstag in Kooperation mit dem Standard präsentiert. "Das Europaparlament hat sich selbst mehr geändert als die Politik der EU", sagte Trauner. Dies gelte in der Asylpolitik viel mehr als etwa beim Datenschutz oder bei Themen wie Menschenhandel. Politische Mitverantwortung habe die Bereitschaft, Prinzipien bei Fragen zu verteidigen, die Wähler direkt berühren, stark gemindert.

Rechtsliberale Mehrheit

Die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek führte diesen Sinneswandel auch auf die politische Kräfteverschiebung im EP zurück: Seit 2009 gebe es erstmals eine klare rechtsliberale Mehrheit, der Kampf gegen Terror und die Eindämmung von Asylwerbern wichtiger seien als Grundrechte. Der Politikwissenschafter Wolfgang Wagner von der Freien Universität Amsterdam widersprach ein wenig: Das EU-Parlament sei immer noch ein Fürsprecher für Grundrechte. Das liege auch daran, dass die Parlamentarier ihre Informationen weniger von den Regierungen als von Interessengruppen erhielten. Das EP sei die einzige unabhängige parlamentarische Einrichtung in der EU, die nicht am Gängelband einer Regierung hängt, ein wenig wie der US-Kongress, betonte Wagner.

Und der österreichische Ministerialbeamte Robert Strondl, jahrelang Vorsitzender des Verwaltungsrates der EU-Grenzschutzagentur Frontex, beschrieb, wie intensiv sich das Parlament in die Neuformulierung des Frontex-Mandats einschaltete und auch jetzt viele Möglichkeiten habe, die Arbeit der Behörde zu überwachen. Wirklich etwas verändern könne das EP mit solchen Anfragen und Anhörungen nur selten, beklagte wiederum Lunacek. (red, DER STANDARD, 19.6.2013)