Die meisten Menschen, die einen Kugelschreiber in die Hand nehmen, wollen damit schlicht eines: schreiben. Dass dabei die Freigabe von Farbe bzw. Flüssigkeit als abstrahierte Funktion des Stiftes auch in der Hydraulik eines Baggers Anwendung finden könnte, erschließt sich weder dem Benutzer noch dem Hersteller von Schreibgeräten auf den ersten Blick. "Wenn man aber Produkte über ihre Funktionen betrachtet, öffnen sich neue Welten für die Verwertung von Schutzrechten", sagt Hans Lercher, Leiter des Studiengangs Innovationsmanagement der Fachhochschule Campus 02 in Graz.

Am Anfang seines Projekts "Intellectual Business Management" stand die Beobachtung, dass die meisten Unternehmen in Bezug auf Schutzrechte eine " Jägerzaun-Mentalität" aufweisen, wie Lercher es nennt. Die Hauptantriebskraft sei der Schutz der Erfindung vor Eindringlingen in das eigene Forschungsgebiet. Dabei werde aber nur ein Teil des Nutzens gezogen. "Viele Firmen zahlen jährlich sechsstellige Beträge für ihre Patente und wissen nicht, welche davon sie eigentlich brauchen. Und wenn sie auslaufen, wundern sie sich, dass sich danach eigentlich niemand dafür interessiert."

Die Überlegung war also, Patente strategisch zu nutzen - und zwar über ein "Funktionendenken", also eine "lösungsunabhängige Beschreibung der Wirkung". Im Fall Kugelschreiber wären die Funktionen etwa Farbe- Freigeben, Speichern und Dosieren, Verschmutzung-Verhindern und so weiter. "Dann kann die Kugelschreiberbranche nicht mehr bloß in der Kugelschreiberklasse patentieren, sondern in allen Branchen, in denen diese Funktion gebraucht werden kann. Das Patent wird zum Wertgegenstand" , sagt Lercher.

Ein Grund, warum Unternehmen, Universitäten oder einzelne Erfinder oft Schwierigkeiten haben, ihr geistiges Eigentum zu verbriefen und die Schutzrechte dann effizient zu nutzen, ist die uneinheitliche Rechtslage. Patentrechte unterliegen dem Territorialitätsprinzip - das Recht gilt also prinzipiell nur in jenem Staat, in dem es angemeldet wurde. Darüber hinaus gibt es jedoch völkerrechtliche Abkommen, die grenzüberschreitenden Schutz bieten können. Ebenso bemüht sich die Europäische Union zurzeit um die Umsetzung eines einheitlichen "EU- Patents" für alle Mitgliedsstaaten, das voraussichtlich im Jahr 2015 in Kraft treten wird.

Das Recht des Erfinders

Grundsätzlich hat in Österreich der Erfinder den Anspruch auf das Patentrecht, also derjenige, der eine technische Problemstellung mit technischen Mitteln gelöst hat. Gibt es mehrere Erfinder, haben sie ein gemeinsames Anrecht. Somit steht nach heimischem Patentgesetz eigentlich auch jedem Dienstnehmer das Recht auf ein Patent an einer Erfindung zu, die er während seiner Arbeitszeit für das Unternehmen entwickelt hat. " Da schriftlich aber anderes vereinbart werden darf, gibt es dafür eigentlich fast immer eine Klausel im Arbeitsvertrag, und das Unternehmen sichert sich die Rechte", sagt Florian Gratzl, Lektor am Institut für Recht der Wirtschaft der Universität Wien.

Eine Spezialregelung gibt es für Hochschulen: Der Universität stehen Erfindungen automatisch zu, ohne dass zusätzliche Vereinbarungen getroffen werden müssen. Die Technische Universität Graz hält derzeit etwa 89 Patente, die aus insgesamt 249 Patentanmeldungen zwischen den Jahren 2004 und 2012 erteilt wurden. Die Erlöse der Patentverwertung würden zwischen den Erfindern, dem beteiligten Institut und der TU Graz aufgeteilt. Für das Management des Patentportfolios stehen ein ganzes Team, eine eigene Software und eine Erfindungs- und Patentdatenbank zur Verfügung.

Eine Software zur Auswertung und Aufbereitung von Daten ist auch das Ergebnis des Projekts der Fachhochschule Campus 02: Sie bereitet in Form von Portfolios auf, wie gut die abstrahierten Funktionen eines Produkts durch bereits bestehende Patente abgedeckt und geschützt sind, zeigt, welche noch gestärkt werden müssen, und soll die Bewertung erleichtern, welche Schutzrechte in Zukunft am Markt von Bedeutung sein werden. " Derzeit stolpern viele Unternehmen mehr ins Patentwesen, als dass es eine strategische Planung gibt. Doch Patente sind oft sehr teuer, man sollte genau wissen, in welchen Ländern man sie wirklich braucht", sagt Studiengangsleiter Lercher.

In Österreich kostet die Anmeldung eines Patents mindestens 480 Euro, für jeden Patentanspruch fallen aber zusätzliche Gebühren an. Danach muss jährlich ein steigender Betrag zwischen 100 und 1700 Euro entrichtet werden - nach 20 Jahren endet der Anspruch automatisch. Für internationale Patente sind die Kosten noch einmal wesentlich höher.

Das Bestreben nach Erfindungsschutz hat aber auch eine Kehrseite, gibt Patentrechtsexperte Gratzl zu bedenken: "Das Patentrecht birgt auch immer ein Monopolrecht in sich. Bei der Entwicklung von Medikamenten, um nur ein Beispiel zu nennen, sind erhöhte Anforderungen durchaus gerechtfertigt. Denn es stellt sich in jedem Einzelfall die Grundfrage, ob geistiges Eigentum der Allgemeinheit zustehen sollte und nicht ei-nem einzelnen Rechtsinhaber." (Katharina Mittelstaedt/DER STANDARD, 19.6.2013)