Die Regierung stellt den Familien mehr Geld in Aussicht, eine rechtzeitige Reform geht sich vor der Wahl nicht mehr aus.

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SPÖ und ÖVP haben sich auf eine neue Familienbeihilfe geeinigt. Sie soll angehoben und vereinheitlicht werden, sagten Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) am Dienstag nach dem Ministerrat (derStandard.at berichtete). Insgesamt sollen in den nächsten vier Jahren 1,2 Milliarden Euro für die Familienbeihilfe sowie den Ausbau und die Qualitätssteigerung der Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen.

Schon im Regierungsprogramm hatten SPÖ und ÖVP die Reform der Familienbeihilfe versprochen. Der Haken an der jetzigen Ankündigung: Zwar hat die Regierung eine Punktation eingebracht, beschlossen werden soll das Gesetz aber erst nach der Nationalratswahl im Herbst und in Kraft treten erst in der ersten Jahreshälfte 2014. Ob Rot und Schwarz wieder eine Koalition bilden, steht aber in den Sternen. Und somit ist es auch fraglich, ob die Familienbeihilfe tatsächlich erhöht wird.

Breite Kritik

Familienexperten und Oppositionsparteien kritisieren das Vorgehen der Regierung. "Es ist leicht, vor der Wahl Reformen anzukündigen, wenn noch nicht klar ist, wer diese dann umsetzen soll", erklärte die grüne Familiensprecherin Daniela Musiol in einer Aussendung. Fest stehe jedenfalls, dass die Regierung die vergangenen fünf Jahre nicht dazu genutzt habe, die Reformen gleich in die Wege zu leiten. "Dann könnten die Familien schon jetzt davon profitieren."

"Offensichtlich kommen Familien erst dann zu ihrem Recht, wenn Wahlen vor der Tür stehen", kritisierte FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller. "SPÖ und ÖVP packen nun ernsthaft den prall gefüllten Wahlgeschenke-Koffer aus. Heute gibt es daraus etwas für die österreichischen Familien", kommentierte BZÖ-Familiensprecherin Ursula Haubner die Punktation.

"Die Regierung winkt den Familien mit Wahlzuckerln", kritisierte auch Team-Stronach-Mandatarin Martina Schenk. Hätte die Regierung den ernsthaften Willen gehabt, Familien zu entlasten, hätte sie es auch geschafft, die entsprechenden Gesetzesvorschlägen rechtzeitig einzubringen, so Schenk.

Auch bei den roten Kinderfreunden ist der Jubel verhalten: "Die Freude ist nicht uneingeschränkt", sagt ein Kinderfreunde-Sprecher gegenüber derStandard.at. Immerhin hätten sich nun beide Parteien auf eine Lösung geeinigt.

Enttäuschung bei Plattform für AlleinerzieherInnen

"Die Indexanpassung und Valorisierung der Familienbeihilfe ist eine jahrelange Forderung von uns gewesen", sagt Doris Pettighofer von der Plattform für Alleinerziehende. Eine Erhöhung der Familienbeihilfe sowie der qualitative Ausbau der Kinderbetreuung seien dringend notwendig. Dass die Regierung viele versprochene Maßnahmen nicht umsetzt, sei enttäuschend.

Laura Schoch, Vorsitzende der Bundesjugendvertretung, zeigt sich im Gespräch mit derStandard.at "fassungslos" darüber, dass die Regierung die oftmals versprochenen Reformen in dieser Legislaturperiode nicht mehr umsetzt. Seit 2001 sei die Familienbeihilfe nicht mehr inflationsangepasst worden. Die Argumentation der Regierung, man habe sich erst jetzt einigen können, deshalb sei die Reform nicht mehr vor der Wahl durchsetzbar, bezeichnet Schoch als "witzlos". Es sei Aufgabe der Regierung, Reformen umsetzen. Viele Familien und Jugendliche würden das oftmals in Aussicht gestellte Geld dringend brauchen.

"Mehr Geld als bisher"

Ingrid Moritz, Leiterin der Familienabteilung in der Arbeiterkammer, sieht die Einigung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. "Zum einen ist die Freude schon groß, dass für den Ausbau der Kinderbetreuung viel mehr Geld als bisher in die Hand genommen werden soll", sagt sie im Gespräch mit derStandard.at. Man müsse aber abwarten, "wie es mit der realen Umsetzung aussehen wird".

Moritz hätte sich gewünscht, dass die Gesetzesänderung schon vor der Wahl auf Schiene ist. Dass in einer neuen politischen Konstellation die geplante Reform in Vergessenheit gerät, davon möchte Moritz aber nicht ausgehen: "Wir werden sicher dafür sorgen das Thema laut zu trommeln und dran zu bleiben." Außerdem: Man könne dann alle Parteien an der Einigung messen.

FLAF prüfen

Für finanzierbar hält Moritz die Maßnahmen. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hatte versichert, dass der Staat sich das Paket leisten könne, und verwies auf die "Rekordbeschäftigung", wodurch sich der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) auf "gutem Weg" befinde. Ob die Rücklagen im Familienlastenausgleichsfonds ausreichend sind, müsse aber erst geprüft werden, so Moritz.

Eine Vereinheitlichung der Gelder sei jedenfalls besonders wichtig, damit die Eltern den Überblick bewahren können. "Die Eltern sollen rasch erkennen können, wieviel ihnen zusteht." Durch die vielen verschiedenen Bezüge, die es derzeit gibt, hätten viele den Durchblick verloren.

Gegen Steuerfreibetrag

Erleichtert ist Moritz, dass der Steuerfreibetrag entgegen früherer Ankündigungen in der neuen Regelung nicht kommen soll. "Er ist absolut unfair und ungerecht." Nur jene Familien würden davon profitieren, die überhaupt eine Steuer haben. "Das heißt, es handelt sich um Haushalte mit höheren Einkommen." Die Arbeiterkammer sei immer dafür eingetreten, dass Familienförderung nicht in der Steuer angesiedelt werden soll, sondern in Direktleistungen und Infrastruktur. (Rosa Winkler-Hermaden/Katrin Burgstaller, derStandard.at, 18.6.2013)