Der Irente-Ausblick ist atemberaubend.

Mehr Bilder zum Text gibt's in einer Ansichtssache.

Foto: Victoria Lainer

Um nicht in all den Zahlen und Excel-Tabellen verloren zu gehen und um in der schwülen Regenzeit wieder einen kühlen Kopf zu bekommen, fuhren wir für ein Wochenende in den Norden Tansanias, hinauf in die Berge nach Lushoto. Diese kleine Stadt im Usambara-Gebirge war während der Kolonialherrschaft der Deutschen angedacht, die Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika zu werden.

Einige Kolonialbauten, Farmen und Namen erinnern an diese vergangenen Zeiten. Nach einer sechsstündigen Fahrt im Minibus - davon das letzte Stück auf einer schmale Serpentinenstraße hochgebrettert - kommen wir in einer völlig anderen Welt an. Das Klima ist angenehm frühlingshaft. Wir fahren mit Motorradtaxis auf einer holprigen Erdstraße durch den Wald, vorbei an Felder und kleinen Ortschaften, weiter in die Berge hinein und gelangen zu unserer ersten Unterkunft, der Swiss-Farm unweit der Allgäu-Farm.

Auf den Bäumen wachsen Äpfel und Birnen, Kühe grasen auf der Weide neben uns, und während wir den Kuhglocken lauschen, essen wir Rösti. Die gesamte Szenerie wirkt einerseits tief vertraut, andererseits aber auch unwirklich, als befänden wir uns irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit. Wäre da nicht die Mitarbeiterin der Farm, die mich etwas auf Kiswahili fragt, hätte ich im Moment völlig vergessen, dass ich mich gerade tausende Kilometer von den Alpen entfernt in Tansania befinde.

Traumhafter Ausblick und Käse

Gemeinsam mit einem lokalen Bergführer wandern wir am nächsten Tag durch einen Teil der vielfältigen Landschaft, durch Wiesen, Felder, Regenwald, vorbei an vielen kleinen Dörfern und Farmen rund um Lushoto. Die Kinder, denen wir begegnen, rufen uns immer wieder zu: "Mzungu!" (Weißer!), manche fragen uns auch nach Süßigkeiten und Geld, andere kleinere Kinder laufen bei unserem Anblick schreiend davon. Mittagspause machen wir bei der Irente-Farm, bei einer Jause mit lokalem Gemüse und Brot und vor allem, nach langer Zeit mal wieder, richtig gutem Käse.

Ich habe viele Gerichte hier, und vor allem die Früchte, kennen- und lieben gelernt, aber bei diesen Stückchen Käse wurde mir richtig warm ums Herz, und ich merkte erst, wie sehr ich Käse vermisst hatte. In diesem Moment war es für mich der beste Käse, denn ich je gegessen hatte, auch wenn ich weiß, dass es zu Hause viel bessere gibt. Unsere Begeisterung für Käse konnte unser Guide leider nicht mit uns teilen. Er verstehe nicht, warum all die "Mzungus" so auf Käse abfahren würden, aber Geschmäcker sind nun mal verschieden. Weiter ging die Wanderung zum Irente-Ausblick. Von diesem Felsvorsprung an einer Felswand am Rande des Gebirges kann man die ganze Gegend überblicken. Ein atemberaubender Ausblick!

Übelkeit, Polizeikontrollen und ein geplatzter Reifen

Bei der Rückfahrt nach Morogoro war der Kleinbus wieder einmal vollbepackt. Nach den ersten Kurven hörten wir ein sehr markantes Würgegeräusch. Die Kurven und die risikofreudige Fahrweise des Busfahrers sorgte bei einigen Fahrgästen für Unwohlsein, unter anderem der Dame hinter uns.

Bei einer der vielen Polizeikontrollen auf der Strecke kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Fahrgast und einem Polizisten. Ein Fahrgast beschwerte sich über den Polizisten, der Gepäckstücke, die ihm im Weg lagen, einfach zur Seite stieß. "Du fasst mein Gepäck nicht an!" Und schon fasste ihn der Polizist am Kragen und es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden.

Ein weiterer Fahrgast sprang auf und wollte die Situation fotografieren, um einen Beweis der unnötig aggressiven Arbeitsweise der Polizei in Tansania zu haben. Ein zweiter Polizist versuchte ihm die Kamera zu entreißen. Viele Passagiere flüchteten nach Möglichkeit nach draußen. Schließlich wurde der erste Passagier samt seinem Gepäck nach draußen gezehrt und nach Drogen durchsucht - ohne Erfolg. Nach einer guten Stunde ging die Fahrt mit dem Fahrgast wieder weiter, begleitet von einer hitzigen Diskussion über die Arbeitsweise der Polizei in Tansania.

Etwa auf der halben Strecke von Lushoto nach Morogoro gab es plötzlich einen lauten Knall und einen Ruck. Der völlig überladene Bus, zu diesem Zeitpunkt mit doppelt so vielen Menschen als offiziell vorhandenen Sitzplätze beladen (jeweils mit Gepäck!), neigte sich zur Seite. Ein geplatzter Reifen, schließlich sind ja alle guten Dinge drei.

Also alle wieder aussteigen, Beine vertreten, die anderen Passagiere kennen lernen und dem Snackverkäufer, der glücklicherweise noch kurz vor der Panne eingestiegen ist, zu seinem Rekordgeschäft verhelfen. Der Busfahrer hatte aber alles unter Kontrolle, quasi reine Routine. Betrachtet man die Straßenverhältnisse, den Zustand der Reifen und die waghalsige Fahrweise der Busfahrer, verwundert dies nicht.  Nach gut einer Stunde - da wir auf einen zweiten Wagenheber warten mussten - war der Reifen gewechselt, und obwohl sich der Bus noch auf den Wagenhebern befand, hieß es: "Alle wieder einsteigen!" und die Passagiere folgten brav dieser Aufforderung, eine ebenfalls waghalsige Aktion. Danach ging die Fahrt allerdings problemlos nach Morogoro weiter.

Vom Planen und Flexibel bleiben

Nach einem arbeitsreichen und spannenden Monat in Morogoro, geht unsere Reise weiter Richtung Süden. Einen Zwischenstopp in Malawi hatten wir ursprünglich nicht geplant,  jedoch macht uns die Begeisterung für das Land von alten und neuen Bekanntschaften neugierig auf Land und Leute. Da wir allerdings anschließend zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Freund in Lusaka treffen wollten, planen wir es zum ersten Mal auf unserer Reise alle Etappen nach einem strikten Zeitplan. Der Plan lautet: mit dem Bus nach Dar es Salaam, dort den Zug nehmen bis Mbeya und von dort innerhalb eines Tages nach Lilongwe und nach ein paar Tagen in Malawi weiter nach Lusaka. Wie schon befürchtet ging der Plan nicht auf und die Fahrt stellte sich als gute Lehre bezüglich Felxibilität heraus. In Dar es Salaam bekommen wir keine Tickets mehr für den Zug, also doch keine Fahrt mit der Tazara und wieder mit dem Bus.

Von Dar es Salaam zur Grenze nach Malawi

Die Fahrt von Dar es Salaam nach Mbeya führt durch den Mukuni-Nationalpark. Wir haben Glück und bekommen eine kleine Safari inklusive. Vom Bus aus erspähen wir ein paar Giraffen, Zebras und Warzenschweine. Von Mbeya nehmen wir tags darauf einen Kleinbus bis zur Grenze. Unsere Sitznachbarin fragt interessiert nach, ob mein Freund nun aus Ost- oder Westdeutschland sei. Sie selbst sei in den 1970er-Jahren in Ulm gewesen. Wir versuchen ihr zu erklären, dass Deutschland nun ein Land sei, aber wir werden vom "Conductor" (Fahrgast- und Geld-Einsammler im Bus) unterbrochen. Dieser will uns vier Tickets verrechnen, obwohl wir samt Gespäck nur drei Plätze besetzen.

Wiedermal erfahren wir die Solidarität unserer Mitfahrer, die sich für uns einsetzten. Der Bus setzt uns gut zwei Kilometer vor der Grenze ab. Sehr zum Unverständnis der Motortaxi-Fahrer bevorzugen wir es, bis zur Grenze zu selbst zu gehen. Immer wieder halten sie bei uns an und wollen uns das Stück fahren. Wir sind allerdings nach den vielen Stunden im Bus froh, uns die Beine etwas auf dem Weg nach Malawi vertreten zu können. (Victoria Lainer, derStandard.at, 18.6.2013)