Die fünf Forderungen der Besetzer des Gezi-Parks: Gezi-Park muss bleiben, die Verantwortlichen für die Polizeieinsätze müssen entlassen, die Verwendung von „Gasbomben“ durch die Polizei muss verboten werden, die inhaftierten Demonstranten müssen freikommen, das Versammlungsverbot (auf dem Taksim-Platz) muss fallen.

Foto: Markus Bernath

Slogan für Erdogans Massenkundgebungen: "Lasst uns ihr Spiel kaputtmachen, lasst uns Geschichte schreiben!"

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Der Konflikt um den Gezi-Park in Istanbul ist eingefroren. Bis es zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung kommt, dauert es zwei Jahre. Die Besetzerbewegung hat erreicht, was sie wollte, und nach den zwei Massenkundgebungen Erdogans an diesem Wochenende ist es dann auch getan: Das alles glaubte bis zur Blitzräumung Samstagabend noch Mümtazer Türköne, einer der Kommentar-Ritter der frommen Tageszeitung Zaman, die das muslimische Harmonieweltbild des Predigers Fethullah Gülen in Einklang mit der Regierungspolitik des frommen türkischen Premiers Tayyip Erdogan zu bringen versucht und dabei im Lauf der Jahre in zunehmende Auslegungsnot gekommen ist, wie sie auch gar nicht verheimlicht. (Türköne hat das Ende des Gezi-Konflikts in der englischsprachigen Ausgabe von Zaman verkündet, die eine ausländische Leserschaft an der trefflichen Entwicklung der Türkei ergötzen soll; in der türkischen Ausgabe wagt er sich nicht so weit hervor).

On the ground im Gezi-Park schaut das doch noch ein wenig anders aus. In sieben öffentlichen Diskussionsrunden wurde am Freitag noch parallel über das Ergebnis der Gespräche der Vertreter der Plattform „Taksim Solidarität“ mit Erdogan beraten. Die Entscheidung der Besetzerbewegung: Wir bleiben da. Samstag um 20.55 Uhr Ortszeit ist Schluss: Die Polizei räumt mit einem Mal die Parkanlage, treibt Tausende hinaus, reißt Plakate und Zelte ab. Die Gezi-Welt geht erst einmal unter.

Bleiben wollten sie, weil die Ankündigung der türkischen Regierung, nun doch ein Gerichtsverfahren über das Bauprojekt zu respektieren, von der Protestbewegung nicht wirklich als beeindruckende Leistung verstanden wurde, sondern eher als Selbstverständlichkeit. Keine der fünf Forderungen der Bewegung in Istanbul ist dagegen bisher erfüllt worden: Gezi-Park muss bleiben, die Verantwortlichen für die Polizeieinsätze müssen entlassen, die Verwendung von „Gasbomben“ durch die Polizei muss verboten werden, die inhaftierten Demonstranten müssen freikommen, das Versammlungsverbot (auf dem Taksim-Platz) muss fallen.

In der Erklärung des Gezi-Volks heißt es also (englische Übersetzung):

„On the 18th day of our resistance, on Saturday June 15th, we will continue our occupation for the park and all the living creatures within it, our trees, our life spaces, our private lives, our freedoms, and our future. We will pursue this struggle until our demands are met.“

Tag 18 sollte aber erst einmal der letzte im Park sein.

Tayyip Erdogan hatte den Besetzern am frühen Abend ein Ultimatum gestellt: Einen Tag gibt er ihnen zum Verlassen des Parks, so drohte der Regierungschefs bei der ersten von zwei Massenkundgebungen. Doch keine zwei Stunden später schon stürmt die Polizei.

"Treffen zum Respekt des Volkswillens" hat die AKP die organisierte Heerschau am Samstag im Stadtteil Sincan in Ankara und in Zeytinburnu in Istanbul am Sonntag getauft. Der Slogan verspricht Einiges - etwa: "Lasst uns ihr Spiel kaputtmachen, lasst uns Geschichte schreiben!" Mit dem "Spiel" sind die nationalen und internationalen Verschwörer gemeint, die die Protestbewegung in der Türkei angezettelt haben. Oder so will Erdogan zumindest seinen Wähler glauben machen. (Markus Bernath, derStandard.at, 15.6.2013)