Im großen Wiener Radlerkrieg bin ich Partei. Ich bin seit 25 ein Dauerradler, jeden Tag zwölf Monate im Jahr. Und ich gebe zu: Ich fahre manchmal bei Rot und gegen Einbahnen, schlängle mich an Kolonnen vorbei, fahre kurz auf Gehsteigen und durch Fußgängerzonen – immer so, dass ich weder mich noch andere gefährde.  

Aber in einem bin ich konsequent gesetzestreu: Ich bleibe vor Zebrastreifen stehen, wenn Fußgänger queren wollen. Die meisten Fahrradfahrer tun das nicht.

Das merkt man schon an den Reaktionen der Fußgänger: Erstaunte, oft ungläubige Blicke, ein freundlich-schüchternes Winken, dass ich doch weiterfahren soll, manchmal sogar ein mürrisch gemurmeltes „des ist der erste Radler, der stehnbleibt“.

Jeder dieser Begegnungen wird zu einer Geste der Versöhnung zwischen den beiden schwächeren Parteien im  Straßenverkehr.  Jedes Mal wird etwas Goodwill geschaffen. Und der Zeitverlust ist minimal.

Deshalb meine Bitte an alle Radlerkollegen: Bitte bleibt diesen Sommer ganz bewusst stehen – und danach auch. Damit können wir Zehntausende Wiener davon überzeugen, dass Radler und Fußgänger gut zusammenleben können, ja sogar am gleichen Strang ziehen. Das kann helfen, die Spannungen rund um die fahrradfreundliche Verkehrspolitik der Wiener Stadtregierung deutlich zu mildern.

Jeder Radler, der für Fußgänger stehenbleibt, wird zum seelischen Verbündeten gegen den wahren Gegner. Denn die meisten Autofahrer, das zeigen Studien, ignorieren die Zebrastreifen. (Eric Frey, derStandard.at, 15.6.2013)