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Sultan trifft Sultan: Halit Ergenç, Hauptdarsteller der enorm populären türkischen TV-Serie Das prächtige Jahrhundert, saß mit am Tisch bei der nächtlichen Krisenrunde in der Residenz des türkischen Premierministers Tayyip Erdogan in Ankara.

Ein recht symbolisches Aufeinandertreffen: Ergenç alias Suleiman der Prächtige (1520–1566) unterstützt die Protestbewegung gegen den autoritären Regierungsstil von Erdogan. "Sultan" oder "Padischah" wird der Regierungschef deshalb von den Türken genannt.

Ergenç saß mit seinem braunen Sultansbart am Tisch, eingerahmt von anderen Schauspielern und Architekten und Stadtplanern der Plattform Taksim-Solidarität, die schon seit zwei Jahren gegen die Baupläne des Regierungschefs anrennt. Seine Serie sei vergangene Geschichte, hatte Ergenç zuvor erklärt. Nun gehe es um Wichtigeres – um Geschichte in der Türkei, die gemacht werde. Der Sultan aus dem Fernsehen ist zum Fürsprecher für eine stärkere Demokratisierung geworden.

Sein Aufruf zum Gewaltverzicht aufseiten der Regierung wie der Aktivisten fand höflichen Beifall bei den Parkbesetzern, die das Krisentreffen in Ankara zum Teil live im Fernsehen verfolgen konnten. Der 43-jährige Schauspieler wird respektiert, aber gilt, wie alle anderen, die in den vergangenen Tagen zu Erdogan oder dessen Vize Bülent Arinç kamen, nicht als Führer der Protestbewegung.

Es ist Ergenç' Popularität, die seinen Worten Gewicht gibt. "Dies ist eine Volksbewegung", schrieb Ergenç auf seiner Facebook-Seite: "Wer würde sonst jenen, die wegen des Gases und des Wassers auf den Boden fallen, seine Luxushotels, seine Moscheen, seine Häuser öffnen?"

Der TV-Sultan führt dabei noch eine Privatfehde mit dem Regierungschef. Tayyip Erdogan hat über die "un­historische" Darstellung von Suleiman I. gewettert, der trinkt und Frauen küsst. Ein Gerichtsverfahren haben die Produzenten des Prächtigen Jahrhunderts noch abwenden können. Doch die türkische Rundfunkbehörde hat inzwischen Moral­regeln für Fernsehserien aufgestellt, an die sich auch Sultan Ergenç halten muss.

Ergenç, Sohn eines Schauspielers, hatte vor allem mit dem 2005 gedrehten Film Mein Vater und mein Sohn Erfolg im Kino – einer für die Türkei sensiblen Geschichte über einen politischen Häftling. Nun hat er die Chance, den modernen Sultan zu ändern. (Markus Bernath /DER STANDARD, 15.6.2013)