Argumente gegen ein Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen den USA und der EU zu finden fällt gar nicht so leicht. Schließlich sind die beiden weltgrößten Wirtschaftsregionen schon jetzt eng verflochten. Eine Beseitigung von Handelsbarrieren würden dies- und jenseits des Atlantiks die Konjunktur beleben und neue Arbeitsplätze schaffen - und das ohne zusätzliche Defizite. Anders als bei Abkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es bei Handelsverträgen zwischen Industriestaaten nur wenige Verlierer. Für beide Seiten wäre das TTIP genannte Abkommen eine passende Antwort auf die ökonomische Herausforderung durch China und das Scheitern der Doha-Runde. Und auch politisch könnte TTIP helfen, die Stimmung zwischen den Verbündeten zu heben.

Dennoch überwiegt kurz vor der geplanten Aufnahme der Verhandlungen unter vielen Experten die Skepsis. So sehr beide Seiten profitieren mögen - in der Handelspolitik zählen konkrete Partikularinteressen meist mehr als das oft abstrakte Gemeinwohl. In den USA sind es vor allem Bundesstaaten, die ihre meist lokal vergebenen Aufträge nicht für europäische Anbieter öffnen wollen. In der EU ist es erneut das traditionell protektionistische Frankreich, das einen Freihandelspakt mit einer Vetodrohung gefährdet.

Nun ist es schon ein Fortschritt, dass sich die Regierung in Paris für ihre Filmemacher und Schauspieler - und damit für die nationale Identität - in die Bresche wirft und nicht wie früher für seine Agrarlobby. Dennoch wäre es verhandlungstaktisch fatal, wenn die EU von vornherein den gesamten Kultur- und Mediensektor aus den Verhandlungen herausnehmen würde.

Dass es am Ende der Verhandlungen einen gewissen Schutz für diesen sensiblen Bereich geben wird, steht außer Zweifel. Das Abkommen muss nicht alle Wirtschaftsbereiche völlig liberalisieren; ein Investitionsschutzvertrag, die Eliminierung aller Zölle und ein klares Verfahren zur Harmonisierung unterschiedlicher Regulierungen wären schon ein großer Erfolg.

Aber selbst dafür müssen sich beide Seiten in den kommenden Monaten am Verhandlungstisch mit einem gewissen Vertrauen gegenübertreten. Und Tabus und Vetodrohungen gleich am Anfang signalisieren eines: Wir trauen euch nicht. Im Falle Frankreichs scheint das für seine EU-Partner genauso wie für die USA zu gelten.

Die größte Bedrohung für das TTIP ist aber gar nicht der französische Film, sondern der Datenschutz. Hier haben sich beide Seiten auf harte Verhandlungen eingestellt: Die Europäer fürchten die Macht und den Datenhunger der US-Internetriesen, diese die strikten Gesetze in der EU und die damit verbundenen Zusatzkosten.

Diesen gordischen Knoten zu lösen erfordert Kreativität und Geduld. Doch gerade die Datenaffäre rund um den US-Geheimdienst NSA, die mit den wirtschaftlichen Fragen nicht viel zu tun hat, droht nun aus einer technischen Feinabstimmung einen ideologischen Konflikt zu machen, der niemals zu einer Einigung führen kann.

Aber es geht bei diesen Verhandlungen auch um Grundsätzliches, nämlich um die wirtschaftliche Zukunft des Westens. Beide Seiten ziehen dabei am gleichen Strang. In den kommenden Wochen wird es sich zeigen, ob in der transatlantischen Partnerschaft noch genügend Kraft enthalten ist, damit man nicht nur einzelne Bäume schützt, sondern den ganzen Wald. (Eric Frey, DER STANDARD, 14.6.2013)