Wir sind am Golan, weil es gefährlich ist", "Davonrennen gibt es bei uns nicht", "Wir Soldaten bleiben, solange man uns braucht" etc. - so Generalleutnant Othmar Commenda in ersten Interviews nach der Ernennung zum Generalstabschef des Österreichischen Bundesheers (ÖBH). Die Politik, deren "Primat" über das Militär heuer schon ausgiebig zu anderen Anlässen strapaziert wurde, denkt diesbezüglich wohl eher in der Kategorie "Sobald es am Golan gefährlich wird, sind wir nicht mehr dort." Commendas Vorgänger als Generalstabschef, Edmund Entacher, erklärte - in guter Tradition wieder in Opposition zum "Primat der Politik" - dass der Abzug eine rein politische Entscheidung und aus militärischer Sicht nicht notwendig gewesen wäre.
Dieses kurze Wortgefecht kann auch kaum als Parade riposte gegen seinen Lieblingsgegner, der nun ja auf den Feldherrnhügel in die Löwelstraße abkommandiert wurde, (miss)verstanden werden. Wo er recht hat, hat er recht, der Herr General in (Un-)Ruhe. Zu ergänzen wäre allenfalls, dass es sich um eine vom Primat der Innenpolitik getragene Entscheidung handelt, denn eine ernsthafte Außenpolitik hat Österreich schon lange nicht mehr zu bieten.
Der Abzug der österreichischen UNO-Truppen mag ja aus kurzfristiger innenpolitischer Sicht verständlich erscheinen, da mit einer proaktiven Außenpolitik - übrigens nicht nur in Österreich - keine Wahlen gewonnen werden (können). Noch nie war aber die Präsenz des österreichischen Blauhelm-Bataillons am Golan so wichtig wie heute - die Reaktionen des (in)offiziellen Israel sprechen Bände. Zu friedenserhaltenden Missionen kann gerade ein kleines - zumindest auf dem Papier noch immer - neutrales Land einen wesentlichen Beitrag leisten. Mit dem überstürzten Abzug verliert Österreich diesbezüglich jedenfalls leichtfertig jeden noch verbliebenen außenpolitischen Kredit.
Es wäre nun vielleicht auch ein günstiger Zeitpunkt, dann gleich alle UNO-Einsätze des ÖBH "in einem Aufwaschen" zu beenden, da innenpolitisch ohnehin nur an "Schönwettermissionen" Interesse zu bestehen scheint. Jahrzehntelang war es - trotz bedauerlicher Todesfälle im Einsatz als absoluter Ausnahmefall - wahrscheinlicher, sich als österreichischer Blauhelm im Auslandseinsatz zu Tode zu saufen oder an einer eingeschleppten Geschlechtskrankheit zu sterben als bei der Erfüllung der militärischen Pflicht "zu fallen". Gott sei Dank! Aber: Es war auch immer impliziter Teil der Freiwilligenverpflichtung, dass "auch etwas passieren konnte." Und dessen waren sich zumindest die erfahrensten und besonnensten österreichischen Blauhelme, viele als überzeugte "Wiederholungstäter", immer bewusst - sie haben es sogar (gegen gutes Geld) billigend in Kauf genommen.
Kein Angehöriger des ÖBH wird zu einem Blauhelmeinsatz gezwungen. Wer es aber tut, macht das als Soldat/-in (mit allen Konsequenzen!) und nicht als Tourist/-in! Ich bin überzeugt, dass nur wenige Soldaten ihre Freiwilligenmeldung wegen besonders gefährlicher Verhältnisse nun zurückziehen würden. Diese Verantwortung trägt jede/-r Freiwillige ganz persönlich, die politische Verantwortung trägt der Verteidigungsminister - auch mit allen Konsequenzen: Bei einem militärischen Einsatz können eigene Verluste nie ganz ausgeschlossen werden. Wer das aber von vornherein ausschließen will, der sollte sich über die jährliche Truppenschau am Nationalfeiertag hinaus nicht militärisch engagieren, sondern zu Hause bleiben. Das entspricht sicher nicht dem Selbstverständnis unserer engagierten Blauhelmtruppe!
Der neue Verteidigungsminister hat sich durch geschickte Inszenierungen und Abgrenzung von seinem glücklosen und uninspirierten Vorgänger (vor)schnell Respekt bei der Truppe und der Öffentlichkeit erworben. Gerald Klug hätte in die Geschichtsbücher eingehen können als jener Verteidigungsminister, der Österreich trotz innenpolitischem Gegenwind wieder auf der außenpolitischen Bühne einen Platz erkämpft hat.
Diese Chance wurde vertan. Kurzfristig innenpolitisch ist man mit dem Abzug vom Golan zweifellos auf der sicheren Seite, langfristig KLUGe und auch außenpolitisch verantwortungsbewusste Entscheidungen schauen aber anders aus.
Postscriptum: Wenn es wirklich an Freiwilligen aufgrund der Gefährlichkeit für eine Golan-Mission mangeln sollte, melden Sie sich bitte, Herr Verteidigungsminister! Vor 20 Jahren wollte ich das des Geldes wegen machen, heute wäre es mir ein persönliches Anliegen,als kleiner unbedeutender Beitrag für eine glaubwürdige österreichische Außenpolitik auf Mikroebene! (Michael H. Böheim, DER STANDARD, 13.6.2013)