Oktober 1983: Die Blockade der Trichlorphenol-Produktion der Chemie Linz gilt als erste "harte" Greenpeace-Aktion in Österreich. Die Anlage wird stillgelegt.

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April 2013: Am Wiener Stephansplatz wird für ein Schutzgebiet in der Arktis protestiert.

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Wien – Es ist ja wirklich nicht so, dass früher alles besser war. 1983, da war der Begriff von saurem Regen in Österreich allgegenwärtig, da wurde in der Zellstoff- und Papierindustrie noch wie selbstverständlich mit Chlor gebleicht, da wurden die Abwässer oft ungefiltert in Flüsse geleitet, in Spraydosen kam das ozonschädliche FCKW-Treibmittel zum Einsatz, und Autos fuhren noch ohne Katalysatoren. 1983 ist übrigens erst 30 Jahre her.

Am 20. Juni 1983 wurde der ­Ableger der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Österreich gegründet. "Seither ist ordentlich etwas weitergegangen. Da hat die gesamte Umweltbewegung viel ­erreicht", sagt Alexander Egit im Vorfeld des runden Geburtstages dem Standard. Der 50-jährige Wiener leitet die Geschäfte des Unternehmens vom Hauptquartier in Wien aus in Zentral- und Osteuropa. Umweltaspekte, auf die die Organisation medienwirksam hinweist, sind Greenpeace dennoch nicht ausgegangen: Energiewende, Landwirtschaft, Schadstoffe, Verkehr, Atomstrom oder Klimawandel.

Die Themen sind aber komplexer und struktureller geworden. "Die isolierte Betrachtung von einzelnen Umweltproblemen reicht nicht mehr", sagt Egit, der ab 1986 bei Global 2000 wirkte, ehe er zu Greenpeace wechselte. "Da gibt es jetzt ganz andere Herausforderungen als etwa Chlorbleiche. Das hat man gemacht – oder nicht."

Früher, in den Anfangsjahren der Umweltbewegung, war es einfacher, Probleme darzustellen. "Die Konflikte waren existenzieller, Menschen waren direkt von Giftmüll oder verseuchtem Wasser betroffen. Dann standen wir Aktivisten auf der einen Seite, auf der anderen Seite waren es Politiker und die Industrie. Heute ist es so, dass es sich kein Politiker leisten kann, sich nicht zumindest ein grünes Mäntelchen anzuziehen. Die Probleme gehen uns nicht aus – aber die direkten Gegner." Beim aktuellen Bienen-Thema rund um den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft war Umweltminister Nikolaus Berlakovich (VP) laut Egit fast ein Glücksfall.

Denn auch die Argumente der Landwirte haben ihre Daseins­berechtigung: Verzichtet man auf den bei Monokulturen oft notwendigen Einsatz von Pestiziden, werden Bienen nicht beeinträchtigt, aber Schädlinge können sich vermehren. "Das ist eine Grundsatzfrage, ob wir Bienen wollen oder eine Monokultur", sagt Egit. "Wenn wir einen Minister haben, der sich mit Umweltthemen schmückt, der sich aber gleichzeitig auf die Seite der monokulturell ausgerichteten Industrie stellt, gelingt es uns und anderen Organisationen, diese Diskrepanz ganz gut aufzuzeigen."

7,8 Mio. Euro an Spenden

Im Oktober 1983 startete Greenpeace die erste Aktion in Österreich: Eine Trichlorphenol-Produktionsanlage der Chemie Linz wurde blockiert, das Werk wurde später stillgelegt. Nach der Tschernobyl-Katastrophe wurde auch im nahen kommunistischen Osten gegen Atomstrom protestiert. Schon 1987 kam durch 76.000 Spender umgerechnet eine Million Euro zusammen, um weitere Aktionen vorbereiten zu können. 1991 spendeten 150.000 Personen drei Millionen Euro. Seither ist die Zahl der Spender in Österreich auf etwa 120.000 zurückgegangen, die Gelder konnten aber auf 7,8 Millionen Euro gesteigert werden. Damit belegt Greenpeace im aktuellen Report 2012 des Fundraising-Verbandes den zehnten Platz und ist an der ersten ­Stelle bei Umweltorganisationen, gefolgt von WWF (6,7 Millionen Euro) und Global 2000 (2,4).

Mit Keilern, die Spender auch auf offener Straße ansprechen und mit Verträgen an Greenpeace binden, sammelt die Organisation keine Sympathiepunkte. Mit Vertragsspendern, verteidigt Egit das Tun, kann aber kalkuliert werden – und die Unabhängigkeit ist gesichert. "Wir nehmen keine Gelder von staatlichen Stellen oder Unternehmen, nur von privaten Unterstützern." Als Ausnahme gelten Zuwendungen von gemeinnützigen Stiftungen. "Die kommen aber nur aus dem Ausland. Bei uns sind sie leider nicht steuerlich begünstigt."

Als größten Skandal nennt Egit das Nichterreichen von Klimaschutzzielen, die nur mit dem Ankauf von Millionen Euro teuren Zertifikaten ausgeglichen werden. "Österreich ist in puncto Klimaschutzbemühungen das Schlusslicht in der EU." Das Scheitern des Energieeffizienzgesetzes der Regierung vor zwei Wochen bezeichnet er als "ökologische Todsünde". Dafür sei die Klimaschutzrhetorik weltmeisterlich. "Der Nachhaltigkeitsbegriff ist schon komplett deformiert. Der hat keine Relevanz, keine Bedeutung mehr." (David Krutzler/DER STANDARD, 13.6.2013)