Der Senat ist das letzte demokratische gewählte Gremium mit nennenswerten Kompetenzen an der Universität.

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Friedrich Schipper ist Archäologe.

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Ja, es gibt ihn noch, den Senat. Im alten Universitätsorganisationsgesetz (UOG) war der akademische Senat mit dem Rektorat die leitende Instanz der Universität - und eines von mehreren, demokratisch gewählten Gremien. Nach der Implementierung des Universitätsgesetzes (UG) 2002 ist der Senat das letzte demokratische gewählte Gremium mit nennenswerten Kompetenzen an der Universität. Neben Universitätsrat und dem Rektorat ist er eines der drei "obersten Organe". Doch inner- wie außeruniversitär wird er meist kaum mehr wahrgenommen.

Im Dreigestirn der Macht?

Dabei sind die Regelungen des UG 2002 zum Senat, der Artikel 25, nicht minder umfangreich und ausführlich wie jene zum Universitätsrat oder zum Rektorat. Zu allererst erlässt oder ändert der Senat auf Vorschlag des Rektorats die Satzung. Und er wählt die Hälfte der Mitglieder des Universitätsrats, jener - wichtige - Akt, mit dem man den Senat heute noch am ehesten in Verbindung bringt.

Wenn man im Text des UG 2002 weiter liest, stößt man zunächst auf Begriffe wie "Zustimmung zu", "Stellungnahme zu", "Mitwirkung an"; und wenn der Senat nicht zustimmt, keine Stellung bezieht, nicht mitwirkt, dann kann die jeweilige Handlung dennoch durchgeführt werden. Kritische Beobachter mögen hier Mechanismen zwischen Universitätsrat und Rektorat einerseits und Senat andererseits erkennen, wie sie jenen zwischen Nationalrat und Bundesrat im Parlament nicht unähnlich sind - letztere Instanz kann zwar nicht sang- und klanglos übergangen, aber letztlich jedenfalls überstimmt werden.

Das weitere Aufgabenspektrum umfasst die Festlegung von akademischen Graden, Bezeichnungen für die AbsolventInnen, die Einsetzung von Kollegialorganen, die Einrichtung eines Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen sowie die Nominierung von Mitgliedern für die Schiedskommission.

Heiße Eisen

Eine der wichtigsten Funktionen ist jedoch die Erlassung und Änderung der Curricula für ordentliche Studien und Lehrgänge. Wir befinden uns gerade in der heißen Phase der Neugestaltung der LehrerInnenausbildung, in der der Senat die grundlegenden Weichen für die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Institutionen und somit für die Zukunft unserer Kinder stellt. Hier sind vom Senat klare Regelungen zu fordern, die den Fachspezifika gerecht werden und die Betroffenen einbeziehen.

Demokratie von oben diktiert?

Wie eingangs erwähnt, stellt der Senat an den Universitäten das letzte demokratische gewählte Gremium mit nennenswerten Kompetenzen dar. Demokratisch, quasi ja. Aber ist er repräsentativ im Sinne dessen, was wir an den Universitäten als demokratisch verstehen? Das UG 2002 in der geltenden Fassung sieht vor, dass die Kurie der UniversitätsprofessorInnenen jedenfalls die Hälfte der Mitglieder stellt, der so genannte "Mittelbau" und die Studierenden jeweils fast ein Viertel und das allgemeine Personal stets nur ein Mitglied.

Diese Verteilung hat oft Kritik hervorgerufen, da sie insgesamt klar zugunsten der berufenen ProfessorInnen angesetzt ist und z.B. den in seinen Aufgaben und individuellen Laufbahnen sehr heterogenen "Mittelbau" in eine Kurie 2. Klasse zusammenpfercht, in der Praxis ausschließlich vertreten durch unbefristet angestellte, "ältere Semester", wodurch wiederum nicht das gesamte Spektrum an Interessenslagen vertreten sein kann.

Hier fordert der UniversitätslehrerInnenverband (ULV), der parteiunabhängige und landesweit größte Verband des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den österreichischen Universitäten, seit Jahren ein Überdenken der bisherigen Kurienlandschaft zugunsten eines Faculty-Modells und eine Neugewichtung der Sitze im Senat entsprechend den tatsächlichen Aufgabengebieten in einer UG-Novellierung.

Demokratie von der Basis?

Ob man nun den Kompetenzen, der Rolle und der Zusammensetzung des Senats kritisch gegenübersteht oder nicht, seine alle drei Jahre stattfindende Wahl bietet die einzige Möglichkeit für alle Angehörigen der Universität, ihr aktives wie passives Wahlrecht wahrzunehmen und damit Einfluss auf die Entwicklung der Universität zu nehmen. Und was tun die Universitätsangehörigen damit?

Zurück zur jüngsten Senatswahl an der Universität Wien: Die Einheitsliste der ProfessorInnen lockte immerhin etwa ein Drittel aller Wahlberechtigten zu den Urnen. Vom "Mittelbau" nutzte, obwohl zwei immerhin konkurrierende Listen zur Wahl standen, nur ein Zehntel das Stimmrecht. Genau jene Gruppe von UniversitätsmitarbeiterInnen, die sonst stets auf Mitbestimmung und Mitsprache drängt, zeigte nur mehr sehr wenig Ambitionen, sich aktiv in das universitäre Leben einzubringen, und sei es nur durch einige Minuten bei der Stimmabgabe.

Dies offenbart eine große Verdrossenheit gegenüber der gefühlten Ohnmacht und den ungleichen Stimmverhältnissen im Senat, aber es spiegelt auch die fehlenden Perspektiven der meisten Angehörigen wider, die aufgrund kurzfristiger Arbeitsverträge kaum eine zweite Wahlperiode an der Universität verbringen dürfen. Ceterum censeo: Der Mittelbau, also die NachwuchswissenschafterInnen benötigen längerfristige Arbeits- und Karriereperspektiven!

Ansonsten werden sie sich kaum bis gar nicht in die Entwicklung der Universitäten einbringen. Damit würde man aber auf die Mitwirkung von über 90 Prozent des wissenschaftlichen Universitätspersonals bei der Gestaltung der Universität verzichten. Eine enorme Ressourcenverschwendung, die jenseits der staatlichen Universitäten in unserem Land wohl undenkbar wäre.

Perspektiven

Sowohl die Legislative als auch die gewählten Senatsmitglieder müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden, die heißen Eisen in demokratischer Weise anpacken und vor allem über Kommunikation und Überzeugungsarbeit wieder das Interesse der MitarbeiterInnen an Mitbestimmung an unseren Universitäten wecken. Neukonstituierungen bieten immer eine gute Gelegenheit dazu. (Friedrich Schipper, derStandard.at, 11.6.2013)