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Innenministerin Johanna Mikl-Leiter muss satzungswidrige Spenden über 900.000 Euro verantworten.

Foto: APA/BKA/ANDY WENZEL

 Johanna Mikl-Leitner hat den Orden überreicht. Oder auch nicht.

Screenshot: derStandard.at

Ein Bericht des Rechnungshofs von Anfang Mai zum Wiener Stadterweiterungsfonds, der in der Kompetenz des Innenministeriums liegt, hat nun zu einer anonymen Anzeige wegen des Verdachts der Untreue geführt. Das berichtete das Ö1-"Morgenjournal" am Dienstag.

Der Fonds hat laut Rechnungshof "satzungswidrig" 916.000 Euro für karitative, wissenschaftliche und religiöse Zwecke gespendet. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wies die Vorwürfe am Dienstag zurück. Sie gehe davon aus, dass alle Gelder statutenkonform eingesetzt wurden.

Geschichtsträchtiger Fonds

Der Wiener Stadterweiterungsfonds wurde vor mehr als 150 Jahren von Kaiser Franz Joseph I. zur Finanzierung von Monumentalbauten an der Ringstraße eingerichtet. Der Rechnungshof hatte bereits im Jahr 1961 dessen Auflösung empfohlen, weil die ursprüngliche Aufgabe längst erfüllt war, heißt es im Bericht des Rechnungshofs.

Billige Immobilien, satzungswidrige Spenden

In seinem Bericht zerpflückt der Rechnungshof die Fondsgebarung. Neben den umstrittenen Spenden sollen auch Immobilien unter Wert verkauft worden sein. So veräußerte der Fonds in den Jahren 2005 und 2008 seine letzten drei Liegenschaften. Eine Immobilie Am Heumarkt in Wien – auf der sich auch der Eislaufverein befindet – wurde um 4,2 Millionen Euro verkauft, obwohl Anbote über bis zu neun Millionen Euro vorlagen. Vom Verkaufserlös spendete der Stadterweiterungsfonds zwischen 2005 und 2011 insgesamt rund 3,8 Millionen Euro. Vor der Satzungsänderung im Jahr 2009 wurden laut Rechnungshof mehr als 900.000 Euro satzungswidrig für karitative, wissenschaftliche und religiöse Zwecke gespendet.

Der Stadterweiterungsfonds, dessen oberstes Fondsorgan der Innenminister war, weitete 2009 mit der Satzungsänderung den Fondszweck auf Bauten auch außerhalb der Inneren Stadt Wiens sowie auf Institutionen und Projekte zum "Wohle der Gesellschaft und zur Stärkung des sozialen Friedens" aus. Das widersprach dem Willen des Fondsgründers, heißt es in dem Bericht.

Auffällig ist die rege Spendentätigkeit des Fonds für kirchliche Einrichtungen. Neben Diözesen, Pfarren und Ordensgemeinschaften wurde auch die Katholische Universität in Rom mit Spenden bedacht. Sie erhielt 110.000 Euro. Auf Anfrage des STANDARD heißt es dazu aus der Erzdiözese, dass man gerade selber versuche, die Spenden genauer aufzuschlüsseln.

Aber auch die Polizei profitierte von den Geldern, etwa in Form von 100.000 Euro für den Wohlfahrtsfonds der Bundespolizei. Aber auch Privatpersonen wurden mit Geldern bedacht.

Strafrechtsprofessor: Vorwurf der Untreue möglicherweise gerechtfertigt

Der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer sagte im Ö1-Mittagsjournal: "Das kann durchaus den Vorwurf der Untreue rechtfertigen. Im Jahr 2008, also noch vor der Satzungsänderung, ist offensichtlich satzungswidrig einiges Geld gespendet worden, was mit Bauprojekten gar nichts zu tun hat."

Schwaighofer sieht sogar so etwas wie ein nachträgliches Schuldeingeständnis der Fondsverantwortlichen: "In dem Fall scheint es so zu sein, dass man 2009 kalte Füße bekommen hat und hat das deswegen schnell geändert."

Korrektur auf Ministeriumswebsite

Für ihre "Verdienste" rund um den Fonds wurden Mitarbeiter des Innenministeriums im Jahr 2012 geehrt. Fraglich ist allerdings, wer diese Ehrungen vorgenommen hat. Laut Ö1 war es Innenministerin Mikl-Leitner selbst, die "das Ritterkreuz des päpstlichen Silvesterordens" im Erzbischöflichen Palais in Wien überreichte. Nämlich an ihren stellvertretenden Kabinettschef Karl Hutter, die Sektionschefs Einzinger und Vogl und den früheren Geschäftsführer des Stadterweiterungsfonds, Alexander Janda.

Sie haben die päpstliche Auszeichnung demnach erhalten, weil sie als Verantwortliche des Stadterweiterungsfonds viele Projekte der katholischen Kirche ermöglichten. So war es vor einem Jahr auf der Website des Innenministeriums zu lesen (siehe Screenshot). Mittlerweile wird Kardinal Christoph Schönborn als Überreicher des Ordens geführt. Mikl-Leitner soll bei der Feier nur "anwesend" gewesen sein. Laut einem Bericht der Kleinen Zeitung erwerben Träger des Silvesterordens das Recht, sich die Silvesteruniform schneidern und das Silvesterschwert schmieden zu lassen und auf einem Pferd die Treppen zum Petersdom hinauf zu reiten.

Missverständnis

Ein Sprecher der Erzdiozöse erinnert sich gegenüber dem STANDARD aber an die Verleihung des päpstlichen Silvesterordens im Vorjahr an Mitarbeiter des Innenministeriums, die gleichzeitig im Fonds tätig sind. In ihrer Laudatio habe die Ministerin Beiträge des Fonds zur Sanierung von Michaeler- und Franziskanerkirche erwähnt. Verliehen wurde der Orden (wie vom Vatikan vorgeschrieben) durch Kardinal Christoph Schönborn. Dass die Ministerin selber die Orden verliehen hätte (wie auf der Homepage des Ministeriums bis Dienstag zu lesen), sei ein Missverständnis. Mikl-Leitner hält alles für korrekt.

Doppelfunktion im Innenministerium

Kritisiert wird außerdem eine Doppelfunktion im Innenministerium. Der Leiter jener Sektion, die für die Fondsverwaltung zuständig ist, war auch Mitglied im Kuratorium des Stadterweiterungsfonds. Diese Doppelfunktion widersprach den gesetzlichen Bestimmungen. (APA/red, cs, derStandard.at, 11.6.2013)