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Brennende Barrikaden auf dem Istanbuler Taksim-Platz

Foto: EPA/TOLGA BOZOGLU

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Premier Erdogan dankt den Polizeikräften - und will nicht zurückweichen.

Foto: REUTERS/Umit Bektas

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Die Polizei setzt Wasserwerfer und Tränengas ein, Molotow-Cocktails treffen Beamte.

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Zivilpolizisten zerstören Transparente.

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Demonstranten flüchten vor dem Tränengas.

Foto: REUTERS/Yannis Behrakis

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Barrikaden der Demonstranten sperrten den Taksim-Platz ab.

Foto: AP Photo/Thanassis Stavrakis

Istanbul - Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die Demonstranten im Istanbuler Gezi-Park zum Abzug aufgefordert. Der Park sei eine Grünanlage und "keine Besatzungszone", sagte Erdogan am Dienstag vor Abgeordneten der Regierungspartei AKP in Ankara. "Ich fordere diejenigen auf, die es ernst meinen, sich zurückzuziehen." Gleichzeitig verteidigte er das Vorgehen der Polizei und lobte die Einsatzleitung.

Erdogan bezeichnete die Proteste als gezielten Angriff zur Schwächung des Landes. "Die türkische Wirtschaft war das Ziel dieser Ereignisse", sagte Erdogan , "die Anstrengungen, die unternommen wurden, um dem Image der Türkei zu schaden, sind Teil eines systematischen Plans." Den Demonstranten warf er Vandalismus und erhebliche Zerstörungen bei den Protesten in den vergangenen zwei Wochen vor.

Erdogan kündigte in der Fraktion seiner konservativ-islamischen AKP-Partei Härte gegen die Proteste an. "Die sagen, der Ministerpräsident ist grob. Also was geschieht? Werden wir vor den Leuten in die Knie gehen?", sagte Erdogan nach Beginn des Einsatzes. "Tut mir leid, wenn ihr das grob nennt, aber dieser Tayyip Erdogan ändert sich nicht."

Neue Eskalation

Am Vormittag war die Lage in Istanbul erneut eskaliert. Die Polizei rückte in der Früh mit Wasserwerfen, Tränengas und gepanzerten Geländewagen auf den zentralen Taksim-Platz vor, wo es zu neuen Zusammenstößen mit Demonstranten kam. Medienberichten zufolge gab es mehrere Verletzte.

Die Taksim-Plattform, die zu den Organisatoren der Proteste gehört, rief am Dienstagabend (18.00 Uhr MESZ) zu einer Kundgebung in den umkämpften Gezi-Park.

Bagger demolieren Barrikaden

Bagger räumten unter Polizeischutz Barrikaden, die die Platzbesetzer zuvor aus Metallteilen einer Großbaustelle am Taksim-Platz, aus von der Polizei vor mehr als einer Woche zurückgelassenen Absperrzäunen und bei Straßenkämpfen demolierten Autos errichtet hatten. Die Polizei feuerte danach Tränengas auf Demonstranten. Aus den Reihen der Demonstranten flogen Brandsätze auf die Wasserwerfer. Allerdings bewegten sich die Einsatzkräfte zunächst nicht in Richtung des nahe gelegenen Gezi-Parks, wo hunderte regierungskritische Demonstranten ihre Zelte aufgebaut haben.

Istanbuls Gouverneur Hüseyin Avni Mutlu appellierte an die Protestierenden, sich von Provokateuren fernzuhalten. Mutlu zufolge sollen die Protestierenden auf dem Parkgelände unbehelligt bleiben. Einziges Ziel sei es, auf dem Taksim-Platz "alle Plakate und Schilder zu entfernen", schrieb der Gouverneur auf Twitter. "Wir werden weder den Gezi-Park und den Taksim-Platz noch euch anrühren", versicherte er. Nach Entfernung der Banner hängten Polizisten eine türkische Fahne und ein Porträt des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk an die Außenwand eines Gebäudes.

"Jeder Platz ist Taksim, jeder Platz Widerstand"

"Jeder Platz ist Taksim, jeder Platz Widerstand", riefen dagegen die Demonstranten und warfen Steine und Molotowcocktails auf die Einsatzkräfte. Die Polizisten appellierten über Lautsprecher, die Angriffe einzustellen: "Liebe Gezi-Freunde. Wir sind unglücklich über die Situation. Wir wollen nicht eingreifen. Wir wollen niemanden verletzen. Bitte zieht euch zurück."

Der Tourismusstudent Burak Arat schlief nach eigenen Angaben im Gezi-Park, als nebenan der Polizeieinsatz begann. "Wir werden kämpfen, wir wollen Freiheit", sagte der 24-Jährige der Nachrichtenagentur AFP, bevor er sich zum von Tränengaswolken eingehüllten Taksim-Platz begab. Die Polizei war am frühen Morgen vom Stadtteil Besiktas aus vorgerückt, als nur noch einige tausend Demonstranten auf dem Platz im Herzen Istanbuls ausharrten.

Protest auch in Ankara niedergeschlagen

Am Vorabend hatten sich auf dem Platz und im Zentrum der türkischen Metropole erneut tausende Menschen versammelt, um gegen den als autoritär empfundenen Regierungsstil Erdogans und unverhältnismäßige Polizeigewalt selbst gegen friedliche Demonstranten zu protestieren. In der Hauptstadt Ankara wurden Demonstranten in der Nacht von den Sicherheitskräften mit Tränengas auseinandergetrieben. Der Großteil der Demonstranten ergriff daraufhin die Flucht, Restaurantbesitzer schlossen sich und ihre Gäste in ihren Lokalen ein.

Erdogan ließ am Montagabend ankündigen, dass er sich am Mittwoch mit "einigen führenden Vertretern" der Demonstranten treffen wolle. "Sie werden über die Fakten informiert, und unser Ministerpräsident wird sich anhören, was sie zu sagen haben", teilte Erdogans Stellvertreter Bülent Arinc nach einem Ministertreffen in Ankara mit. Allerdings ließ er offen, wen genau Erdogan am Mittwoch treffen will. Zudem deutete Arinc an, dass "illegale Demonstrationen in der Türkei nicht mehr toleriert werden". Zuvor hatte Erdogan bereits gewarnt, dass Unruhestifter für ihr Verhalten "einen Preis zahlen" würden.

Bisher vier Tote

In der Türkei gibt es seit knapp zwei Wochen Proteste gegen die Regierung Erdogans. Dabei wurden nach Angaben des türkischen Ärztebunds fast 5.000 Menschen verletzt, Erdogan verwies am Sonntag auf 600 verletzte Polizisten. Vier Menschen starben während der Unruhen, drei Demonstranten und ein Polizist. (APA/red, derStandard.at, 11.6.2013)