"Freedom" wird in den USA ganz großgeschrieben. Das kann vieles bedeuten: Praktisch kann man mit nicht viel mehr als mit einem Bibliotheksausweis privat die Waffen kaufen, um dann eine halbe Schule auszurotten; dort vermeidet man alles, was nach "Überwachungs- und Bevormundungsstaat" aussieht, auch wenn die praktische Vernunft eine strengere Regelung gebieten würde. Im Kongress sind die schüchternen Versuche von Präsident Obama, den Kauf auch nur von Schnellfeuergewehren einzuschränken, zum Scheitern verurteilt.

Auf der anderen Seite wird - auch im Namen von "freedom" - der allerärgste Überwachungs- und Schnüffelstaat aufgebaut, mit Zugriff auf praktisch alle Internet-Daten. Ist alles nötig, um Terroristen an Anschlägen zu hindern, sagen die Vertreter der Geheimdienste und der Obama-Regierung. Diese Fixierung auf Elektronik ist trotzdem fragwürdig. Die Attentäter vom Boston-Marathon wurden damit nicht vorher abgefangen, obwohl es eine Warnung des russischen Geheimdienstes an das FBI gab. Die beruhte aber auf ganz altmodischen Grenzkontrollen, und das Attentat wäre auch mit ganz altmodischer Polizeiarbeit zu verhindern gewesen - wenn das FBI die Warnung nicht negiert hätte.

Die Diskrepanz zwischen unüberwachtem Waffenverkauf, der dutzende, wenn nicht hunderte Amerikaner jährlich das Leben kostet, und der Sammelwut bei der elektronischen Kommunikation ist eklatant. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 11.6.2013)