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Das Hauptquartier des britischen Abhördienstes in Cheltenham, die mit dem US-Geheimdienst NSA zusammenarbeiten - Europa sind gegenüber den USA die Hände gebunden, Verhandlungen über ein Datenschutzabkommen sind erfolglos.

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Das NSA-Hauptquartier in Fort Meade

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Brüssel/Washington/Hongkong - Erst Tage nach der Veröffentlichung von Informationen, denen zufolge der US-Geheimdienst NSA in großem Stil den globalen Internet-Datenverkehr überwacht, hat die EU mit Kritik Richtung Washington reagiert. Die Europäische Union erneuerte am Montag die Forderung, mit den USA ein seit Jahren in Verhandlung stehendes Abkommen zu finalisieren.

Europäische Bürger müssten die Möglichkeit erhalten, an einem amerikanischen Gericht zu klagen, sollten sie meinen, ihre Rechte als Bürger würden missachtet, sagte das Büro von EU-Justizkommissarin Viviane Reding zum STANDARD. Im gleichen Zusammenhang kritisierte Reding ihre Kollegen in der Union selbst: Die EU-Datenschutzrichtlinie werde seit Monaten verschleppt.

Reding: "Richtlinie kein Luxus, sondern Notwendigkeit"

Die Europäische Union reagierte zunächst völlig überrascht und verhalten auf die amerikanische Datenaffäre. Doch je mehr Details bekannt werden, desto bestimmter pocht Justizkommissarin Viviane Reding auf den Abschluss einer EU-Datenschutzrichtlinie. Darin sollten die Rechte der Bürger und die Regeln für den Umgang mit Daten genau festgeschrieben werden.

Seit mehr als 18 Monaten werde darüber zwischen den EU-Staaten, dem Europäischen Parlament und der Kommission verhandelt. Aufgrund der zahlreichen Einwände der Mitgliedsstaaten kam es aber bisher zu keinem Abschluss. "Eine solche Richtlinie ist kein Luxus, sondern eine unbedingte Notwendigkeit", sagt dazu die Justizkommissarin laut ihrer Sprecherin dem STANDARD.

EU sind die Hände gebunden

Der EU als solcher sind auf der anderen Seite gegenüber den USA die Hände gebunden: Seit zwei Jahren wird mit Washington über ein Datenschutzabkommen verhandelt - bisher erfolglos. Die Europäer drängen seit langem dar­auf, dass die USA zwei Grundbedingungen akzeptieren: Einerseits müsse es Klagemöglichkeiten für europäische Bürger vor US-Gerichten geben, andererseits verlange man, dass US-Firmen, die in Europa tätig sind, sich an die in der Datenschutzrichtlinie vorgesehenen hohen Standards halten.

"Aber die Amerikaner stellen sich dabei seit zwei Jahren taub", heißt es in der Kommission. Die zuständigen Stellen zeigen sich ein wenig verwundert darüber, dass jetzt so große Aufregung herrsche. Das Thema sei im Grunde ohnehin seit langer Zeit bekannt, aber die Regierungen bisher nicht bereit gewesen, Lösungen zu finden.

Klagemöglichkeiten auf europäischer Ebene gibt es nach Auskunft aus dem Kabinett Reding mangels gesetzlicher Grundlage nicht. Europäische Bürger hätten - wie in vielen anderen Fällen bisher auch - lediglich die Möglichkeit, sich mit einer Klage an nationale Gerichtshöfe zu wenden.

Merkel-Gespräch mit Obama

Während es aus der österreichischen Politik vorerst noch keine Reaktionen aus der vordersten Reihe gab, zeigte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits fest entschlossen, Barack Obama bei nächster Gelegenheit persönlich zur Rede zu stellen. Es sei davon auszugehen, dass die Kanzlerin das Thema anschneiden werde, wenn der US-Präsident kommende Woche in Berlin sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag laut der Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Spiegel". Das deutsche Justizministerium führe bereits intensive Gespräche mit dem US-Justizministerium über mögliche Auswirkungen auf Deutschland.

Leichtfried fordert Asyl für Snowden

Der Aufdecker des US-Spionageskandals, Edward Snowden, soll nach dem Willen des SPÖ-Europaabgeordneten Jörg Leichtfried politisches Asyl in der EU erhalten. "Wenn man es umgangssprachlich sagt, ist es eine absolute Sauerei, was die Amerikaner da gemacht haben", sagte Leichtfried am Dienstag im ORF-Radio.

Der Skandal bringe auch das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU in Gefahr, so Leichtfried. Bereits am Montagabend hatte sein Fraktionschef Hannes Swoboda betont, dass der Datenschutz ein wichtiger Aspekt in den Freihandelsverhandlungen sei. Man solle "den Amerikanern schon zu Beginn sagen, was wir wollen".

Zuflucht in Hongkong

Die Diskussion war durch Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden losgetreten worden. Er spielte Medien Informationen über das umstrittene NSA-Programm zur Überwachung von Telefon- und Internetverbindungen zu.

Der 29-Jährige suchte in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong Zuflucht, doch droht ihm dort eine Auslieferung an die USA. Der grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz forderte am Montag, Snowden politisches Asyl in Österreich zu gewähren. (Thomas Mayer, DER STANDARD/APA, 11.6.2013)