Das neue Leben des Alfred Gusenbauer als Berater: hier mit den Politikern Suleymanov und Aliyev aus Aserbaidschan.

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Wien - Acht Dolmetscher scharren schon in ihren Boxen. Auch das rund 60- köpfige Auditorium, fast lauter Herren in dunklen Anzügen, wartet, längst gelabt mit Fingerfood, auf den Chairman. Zwölf Minuten Verspätung hat er, bevor er am Montagnachtmittag mit seiner Entourage aus Aserbaidschan den Saal im Kempinski, einem Nobelhotel in der Wiener Innenstadt, betritt: Alfred Gusenbauer, einst roter Kanzler, nun ganz Geschäftsmann und umstrittener Berater des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, hat zu einer Konferenz geladen, die sich ganz der " Geopolitik" einer anderen vormaligen sowjetischen Teilrepublik sowie " Europas Energiesicherheit" verschrieben hat. Unter anderen seine Gäste: Elkhan Suleymanov, regierungstreuer Parlamentarier in Aserbaidschan und Natig Aliyev, Minister für Energie und Industrie der vorderasiatischen Präsidialrepublik.

Trotz Namensähnlichkeiten hat Letzterer nichts mit jener Causa Alijew zu tun, wegen der der Altkanzler nun - es gilt die Unschuldsvermutung - im Verdacht steht, das kasachische Regime mit vertraulichen Dokumenten versorgt zu haben.

Ehe Gusenbauers Runde auf dem Podium startet, ruft Florian Zangerl vom Industriemagazin Aserbaidschan noch schnell als "das neue Dubai" aus - eine Anspielung auf die riesigen Öl- und Gasschätze, auf denen das Land sitzt. Gusenbauer dagegen umreißt nur kurz und knapp "die Chancen und Möglichkeiten, die sich da für eine Kooperation ergeben könnten", ehe er den Herren neben ihm das Wort übergibt.

Aserbaidschans Minister hebt zu einer 20-minütigen Rede an. Immer wieder spielt Gusenbauer an seinem Handy herum, an seine Amtszeit erinnert der regelmäßige Griff zum Stofftaschentuch, mit dem er sich die Stirn trocknet. Auch während Aliyev erklärt, wie viele Trillionen an Kubikmetern Aserbaidschan an Erdgas noch heben könnte und wie viele Tonnen im Jahr es bereits fördert. "Wir wollen Geschäftsleute einladen, damit Sie sehen können, dass wir ordentlich arbeiten", sagt er und meint potenzielle Investoren.

Andere Zahlen erwähnt er an dieser Stelle nicht: etwa, dass in Aserbaidschans Gefängnissen 50 politische Gefangene, von Oppositionellen über Journalisten bis zu Bloggern, vermutet werden. Als wissbegieriger Juso-Chef hätte Gusenbauer einst Erklärungen verlangt, heute erteilt er einfach dem Nächsten das Wort. (nw, DER STANDARD, 11.6.2013)