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Obama und Xi ließen Krawatten und Sakkos weg, um auch nach außen hin Entspanntheit zu signalisieren. Bei wichtigen Themen wie Cybersicherheit kamen sich die Herren dann aber doch nicht entscheidend näher.

Foto: AP/Vucci

Tom Donilon legt gewöhnlich jedes Wort auf die Goldwaage, bevor er hinter ein Mikrofon tritt. Der Mann dürfte stundenlang gegrübelt haben, bevor er das Wort "Hemmstoff" benutzte, um zu charakterisieren, was der Diebstahl geistigen Eigentums, die Offensive chinesischer Hacker, für das Verhältnis zwischen Washington und Peking bedeuten kann. "Wenn dieser direkte Diebstahl amerikanischen Eigentums andauert, dann kann es ein Hemmstoff sein, der die Beziehungen daran hindert, ihr volles Potenzial auszuschöpfen", sagte Donilon ein wenig sperrig, als nach den zweitägigen Gesprächen Obamas mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping Bilanz zog.

Es waren überraschend klare Worte nach einem Gipfel, der vor allem die Optik eines Neubeginns liefern sollte. Xi ist erst seit März im Amt, und schon jetzt vergleichen ihn US-Kommentatoren mit Michail Gorbatschow. Während sein stocksteifer Vorgänger Hu Jintao meist akribisch vorbereitete Positionspapiere vorgelesen haben soll, wenn er sich mit Obama traf, sorgte Xi für das Kontrastprogramm. 50 Minuten lang spazierte er mit seinem Gastgeber, nur von Dolmetschern begleitet, über die Golfwiesen des mondänen südkalifornischen Sunnylands-Anwesens. Auf Krawatten verzichteten beide ebenso wie auf Sakkos, was an der Backofenhitze am Rande der Mojave-Wüste lag und an der Maxime des Gipfels: gepflegte Lockerheit.

Mit Xi verbinden die Amerikaner die Hoffnung, dass da einer ist, der ihre direkte, hemdsärmelige Art versteht und mit dem man jenseits protokollarischer Höflichkeit Tacheles reden kann, ohne dass es seinen Stolz beleidigt. Seine Tochter studiert in Harvard, für Sport interessiere sich Xi ebenfalls, fügen die Spindoktoren des Weißen Hauses beflissen hinzu. Es klingt wie der angestrengte Versuch, Parallelen zu finden zum Hausherrn des Oval Office, der abends gern Basketball schaut. "Hervorragend" sei die Begegnung verlaufen, bilanzierte Obama und schenkte dem Gast die Oasenparkbank, gezimmert aus dem Holz kalifornischer Mammutbäume, auf der beide eine Weile diskutiert hatten.

Und die Substanz? Die einzige Vereinbarung des Gipfels hat eher symbolischen Charakter: Auf der Basis des Montrealer Abkommens von 1987 wollen die USA und China den Einsatz von ozonschädigenden Fluorkohlenwasserstoffen einschränken, freilich ohne einen konkreten Fahrplan zu skizzieren.

Korea-Krisenmanagement

Wichtiger ist das konzertierte Krisenmanagement, das sich mit Blick auf Nordkoreas Atomprogramm abzeichnet (siehe unten). Nach den Worten Donilons sind sich beide Länder einig darin, dass Pjöngjang auf Nuklearwaffen verzichten muss und dass weder Washington noch Peking Nordkorea als Kernwaffenmacht akzeptieren. Um potenziellen Missverständnissen zuvorzukommen, sollen die Generäle beider Großmächte regelmäßiger miteinander reden, ähnlich wie Politiker und Ökonomen, die sich alljährlich im Juli zu einer Strategiekonferenz treffen.

Beim aktuellen Reizthema - Computerhacker und Cyber-Spionage - gab es dagegen keine Annäherung, wobei sich die Chinesen sichtlich bemühten, die Differenzen unter den Teppich zu kehren. Cyber-Sicherheit, ließ Xi einen Adlatus vage erklären, sollte nicht zur Ursache gegenseitigen Misstrauens werden, sondern vielmehr zu einem neuen, lichten Kapitel der Kooperation.

Obama überließ es seinem Strategen Donilon, Klartext zu reden. Er selber schlug auffallend leise Töne an, sicher auch, weil ihn der Proteststurm angesichts der weltweiten Internetüberwachung in die Defensive drängt. Probleme wie Computer-Hacking und geistiger Diebstahl, zog er sich diplomatisch aus der Affäre, seien mitnichten auf das US-chinesische Verhältnis beschränkt, sondern ein globales Phänomen. Es gehe darum, "gemeinsame Straßenverkehrsregeln" aufzustellen. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 10.6.2013)