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Alexander Pereira, hier bei der Abschlusspressekonferenz der Salzburger Festspiele 2012, war "glücklich, dass mir die Heimat einen Platz gab".

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2015 übernimmt er die Mailänder Oper: "Ich gehe sicher mit Wehmut."

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Salzburg – Wenn am kommenden Dienstag in einer Kuratoriumssitzung über die Zukunft von Salzburgs Festspielintendant Alexander Pereira verhandelt wird, geht es auch um Wohl und Wehe der Salzburger Festspiele. Und es könnte viele Verlierer geben, zuvorderst die Festspiele selbst. Ein Faktor sind Sponsoren, die Pereira nach Salzburg gebracht hatte und künftig umleiten könnte, ein anderer, dass namhafte Künstler ihm folgen könnten, sollte er seinen Vertrag nicht bis Ende 2016 erfüllen dürfen.

 Seit diese Woche bekannt wurde, dass Salzburgs Festspielintendant Alexander Pereira 2015 Stéphane Lissner an die Spitze der Mailänder Scala nachfolgen wird, befinden einige Kuratoriumsmitglieder recht ungeschminkt, der ungeliebte Intendant möge baldigst aus Salzburg abziehen, am besten schon 2013. Gerade-noch-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller ventiliert die originelle Idee, Pereira dürfe bleiben, wenn er auf die Hälfte seiner Gage verzichte. Pereira, der 2014 und 2015 fertig und auch 2016 schon zu 75 Prozent geplant hat, möchte seinen Vertrag bis zum Ende erfüllen. Wie bitter dieses Ende für ihn wird, entscheidet die Kuratoriumssitzung.

STANDARD: Mit welchen Erwartungen gehen Sie in diese Sitzung?

Pereira:  Die Salzburger werden wohl fordern, dass ich gleich 2013 gehe. Da sage ich: Mach ich nicht, ich habe auch ein Vetorecht. Aber ich bin mir sicher, dass die Scharfmacher keinen Konsens erzielen und wir uns ganz unaufgeregt unterhalten werden. Die Diskussion muss pragmatisch geführt werden. Es ist ja nicht so, dass potenzielle Kandidaten gerade arbeitslos herumspazieren und nur auf einen Anruf aus Salzburg warten. Und selbst wenn jemand gefunden ist, muss man bedenken, dass ich bis 2016 programmiert habe. Was, wenn mein Nachfolger nur das machen will, was er sich selbst ausgedacht hat? Einer meiner großen Vorteile war, dass ich von niemandem etwas übernehmen musste – außer "Carmen" von den Osterfestspielen. Ich war frei in der Planung, konnte verwirklichen, was ich für richtig halte. Ich habe bis 2016 schöne Programme vorbereitet. Wenn das Kuratorium das nicht will: Okay. Aber ich will mich nicht zum Fahnenflüchtling stempeln lassen.

STANDARD:  Scala beginnt 2015, Salzburg endet 2016: Ihr Vertrag schließt aber eine Doppelfunktion dezidiert aus.

Pereira:  Bei den Vertragsverhandlungen dachte ich, ich kann das ruhig unterschreiben; ich kaufe mir ein Haus in Salzburg und werde bis zu meinem Berufsende für die Festspiele arbeiten. Doch dann teilte mir das Kuratorium im Februar mit, man wolle die Zusammenarbeit 2016 beenden, aber endgültig entscheiden wolle man das erst 2014. Aber ich habe keine Lust, ab 2016 die Wände meines Salzburger Hauses anzustarren. Man kann doch nicht verlangen, dass ich erst ab 2016 zu suchen beginne und frühestens 2019/20 einen Job antreten könnte. Da bin ich 73 Jahre alt! Außerdem: Das Kuratorium hatte kein Problem damit, dass Jürgen Flimm nebenher die Ruhrtriennale machte oder Peter Ruziska die München Biennale. Oder dass der Pereira vom 19. 5. 2009 bis 31. 7. 2012 noch die Zürcher Oper geleitet und parallel die Salzburger Festspiele geplant hat.

STANDARD:  Sie haben die Salzburger Festspiele immer als Ihren Traumjob bezeichnet. Ziehen Sie mit Wehmut nach Mailand weiter?

Pereira:  Ich gehe sicher mit Wehmut. Ich war glücklich, dass mir die Heimat einen Platz gab. Ein Teil der Wut gegen mich rührt vielleicht daher, dass die Heimat verärgert darüber ist, dass ihr Sohn wieder weggeht, weil er fürchtet, sonst erstickt zu werden.

STANDARD:  Mailand ist doch politisch auch nicht gerade einfach?

Pereira:  Das ist eine kosmopolitische Stadt, da will man wirklich am großen Rad drehen. So, wie sie mich dort in die Arme genommen haben, bin ich in meinem ganzen Leben noch nie in die Arme genommen worden – schon gar nicht in Salzburg. In Mailand herrscht eine ganz andere Grandezza. Natürlich beißen die sich auch gegenseitig ins politische Wadl, aber man ist trotzdem zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit. Das hat doch eine Dimension mehr als in Österreich. Deshalb freue ich mich, bei aller Wehmut, auf Mailand.

STANDARD: Ist die finanzielle Situation im krisengebeutelten Italien nicht schwieriger als in Salzburg?

Pereira:  Ich hatte noch nie Angst, Geld zu sammeln. Nur in Salzburg fürchtete man, ich treibe zu viel auf. Wenn die Subventionen von 35 Prozent vor 15 Jahren durch Inflation de facto auf heute 19 Prozent gesunken sind, haben die Subventionsgeber die Krise herbeigeführt­: Mit Sponsorengeldern müssen die Festspiele ihre Existenz verteidigen. Ich weiß, dass ich in Mailand Geld auftreiben muss, das will man dort auch – anders als in Salzburg, wo ich das Sponsorenpaket innerhalb von zwei Jahren auf 17 Millionen Euro fast verdoppelt habe. Nun hat man Angst, von den Sponsoren abhängig zu sein.

STANDARD:  Werden Sie Sponsoren, die Sie für Salzburg aufgetan haben, nach Mailand umleiten?

Pereira:  Ein Unternehmen wie Rolex ist schon Sponsor in Mailand, deshalb verliert Salzburg nicht an Attraktivität. Aber natürlich, die Neuen, die ich holte, sollten sich an Salzburg gewöhnen, ein, zwei Sommer genießen können. Dann wären Verhandlungen über eine Verlängerung ihrer Engagements hoffnungsvoller als nun, wenn man von meiner Politik nach einem Jahr wieder völlig abrückt.

STANDARD: Sie gelten als jemand, der eher über Geld als über Kunst spricht. Wie ist Ihr Verhältnis zu den Künstlern?

Pereira:  Viele, das muss man vielleicht auch einmal sagen, hängen an mir. Wenn ich einen Kompositionsauftrag erteile und dem Komponisten dann sagen muss: Bei der Uraufführung bin ich womöglich gar nicht mehr da, sagt der: "Ich möchte lieber dort sein, wo du bist." Das hat nichts mit Revanchegedanken zu tun, ich bin froh, wenn von mir geplante Dinge stattfinden. Doch dazu brauchen Künstler eine gewisse Sicherheit.

STANDARD: Werden Sie einen künstlerischen Direktor an die Scala holen? Gerüchte sprechen etwa von Daniele Gatti.

Pereira:  Völlig aus der Luft gegriffen! Prinzipiell: Wenn man einen Ausländer als Intendanten holt, sollte der Musikdirektor ein Italiener sein. Wer, das wird sich in den nächsten Monaten klären. Aber ich sehe mich nie nur als Verwaltungsdirektor. Ich bespreche die künstlerischen Dinge mit Dirigenten, Regisseuren, Sängern – und nachdem ich die Projekte entwickelt habe, lege ich mir einen Bauchladen zu und renne von Sponsor zu Sponsor, um die Projekte zu finanzieren.

STANDARD:  Auch Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler ist um Sponsoren gelaufen.

Pereira:  Das macht sie gut. In einer Geburtstagswidmung habe ich geschrieben: "Du bist und bleibst Festspielpräsidentin." Aber man muss die Festspiele auch künstlerisch betreuen, den Künstlern das Gefühl geben, dass man mit ihnen inhaltlich zusammenarbeiten kann.

STANDARD:  Klingt nach künstlerischem Intendanten?

Pereira: Nein Reine Kunst-Intendanten wären bei diesem derart riesigen Finanzloch in Salzburg rettungslos verloren. Man muss jemanden finden, der sorgsam ist beim Geldausgeben und tüchtig beim Geldherbeischaffen.    (Andrea Schurian, DER STANDARD, 8./9.6.2013)