Bild nicht mehr verfügbar.

Von Israel aus konnte den Kampf um den syrischen Grenzposten Kuneitra auf dem Golan beobachten. Die Rebellen konnten die Stellung nur wenige Stunden halten.

Foto: APA/EPA

Drei österreichische Blauhelme.

Foto: Dragan Tatic

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Stützpunkt Quneitra ist ein De-facto-Grenzübergang zwischen Syrien und Israel.

Foto: AP Photo/Ariel Schalit

Bild nicht mehr verfügbar.

Grafik: APA

Die österreichischen UNO-Soldaten sollen "so rasch wie möglich" vom Golan heimgeholt werden. Das erklärte Vizekanzler Michael Spindelegger auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Werner Faymann und Verteidigungsminister Gerald Klug am Donnerstagabend. Klug präzisierte auf Nachfrage, die ersten Blauhelme würden bereits in wenigen Tagen, am 11. Juni, abgezogen. "Das Leben unserer Soldaten steht an erster Stelle", bekräftigte der Kanzler den Entschluss, das österreichische Engagement am Golan nach 39 Jahren zu beenden.

Und das, so schnell es geht: Geplant sei ein "geordneter Rückzug" innerhalb der nächsten zwei bis vier Wochen, meinte Klug. Im Notfall, also wenn sich die Situation neuerlich verschärfen sollte, könne der Abzug aber "noch schneller, innerhalb von Stunden", erfolgen. Sollte der bisher genützte Übertrittspunkt, das "Bravo Gate", wie am Donnerstagvormittag für wenige Stunden, neuerlich in die Hände der Rebellen fallen, würde man gemeinsam mit den israelischen Sicherheitskräften einen Abzugsweg entlang des "technischen Zauns" finden, der den israelisch besetzten Teil des Golan von der Pufferzone trennt, erklärte Klug.

Alle drei Regierungsmitglieder sprachen den UNO-Soldaten ihren Dank aus. Sie hätten bisher einen klaren Auftrag erfüllt, meinte Faymann, "der aber unter diesen Umständen nicht mehr zu erfüllen ist". Österreich bleibe weiter ein verlässlicher UNO-Truppensteller, betonte der Kanzler und verwies auf die zahlreichen anderen Einsätze heimischer Blauhelme wie am Balkan, auf Zypern oder im Libanon. Es könnte auch sein, dass für die nun vom Golan heimkehrenden Soldaten eine dieser anderen Missionen verstärkt werde, meinte Faymann, wollte aber dazu nicht detaillierter werden.

Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am Freitag

Spindelegger berichtete, er habe UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon ebenso von dem Entschluss der Regierung informiert wie die anderen Truppensteller am Golan und Israel. Für Freitag hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Sondersitzung einberufen. Sie wurde für 15:00 Uhr Ortszeit (21:00 Uhr MESZ) am UN-Hauptsitz in New York angesetzt. Dabei soll Ersatz für die 380 österreichischen Golan-Soldaten gefunden werden. "Bedauerlich" nannte es der Außenminister, dass beide syrischen Konfliktparteien am Golan es den UNO-Truppen verunmöglicht hätten, ihrem Auftrag nachzukommen: "Das wird auch Auswirkungen auf andere Missionen haben."

Klug sprach angesichts der langen Dauer des Golan-Einsatzes von einer "Zäsur in der Geschichte des Bundesheeres". Letztlich sei aber dort keine der drei Grundvoraussetzungen - gesicherte Versorgung und Rotation, Überparteilichkeit, Sicherheit der Soldaten - mehr gewährleistet.

Bundespräsident Heinz Fischer hatte den Beschluss zum Abzug als "richtige Entscheidung" bezeichnet. Die Bundesregierung habe im richtigen Moment entschieden, dass die Sicherheit der Soldaten nicht mehr gewährleistet sei. Der Schritt sei verantwortungsvoll überlegt worden, sagte Fischer nach Angaben seiner Sprecherin Astrid Salmhofer am Donnerstag vor Journalisten in Klagenfurt.

Assad-Truppen erobern Kontrollposten zurück

Der Entscheidung waren Kampfszenen am von österreichischen Blauhelmen kontrollierten Grenzposten zu den von Israel besetzten Golanhöhen vorangegangen. Die syrische Armee hatte den Posten gegen Mittag von Rebellentruppen zurückerobert. Am Donnerstagvormittag hatten die israelische Armee und das österreichische Bundesheer die Einnahme des Kontrollpunkts durch syrische Rebellen gemeldet. Die heimischen Blauhelme sind laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums in ihren Bunkern in Sicherheit. Die Gefechte zwischen den Rebellen und den Truppen des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad dauern laut der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte noch an.

Als Reaktion auf die Kampfhandlungen hat das israelische Militär die Region um den Grenzübergang auf israelischer Seite zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Zu Angaben über israelische Truppenverstärkungen entlang der Grenze wollte sich eine Militärsprecherin ebenso wenig äußern wie zu Berichten, auf syrischer Seite sei ein Soldat der Beobachtertruppe UNDOF verletzt worden.

Israel vor Problemen

Ein österreichischer Abzug stellt Israel vor massive sicherheitspolitische Probleme. Israel könnte versuchen, die Sicherheitslücke, die durch den Abzug entsteht, selbst zu schließen, sagt der Wiener Politologe Cengiz Günay. Er sieht darin eine große Gefahr, dass Israel noch tiefer in den Syrien-Konflikt schlittert. Dass andere Länder wie Großbritannien oder Frankreich, die sich innerhalb der EU für Waffenlieferungen an ausgewählte Rebellengruppen einsetzen, sich spontan dazu bereiterklären, die Ausfälle durch einen österreichischen Abzug zu kompensieren, scheint fraglich, da es relativ lange Vorlaufzeiten gibt.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bedauerte die Entscheidung Österreichs. Ban sorge sich um die möglichen Konsequenzen des Rückzugs, sowohl auf den Friedenseinsatz als auch auf die Stabilität in der Region, sagte Bans Sprecher am Donnerstag in New York. "Österreich war offensichtlich ein entscheidender Teil der Mission. Der Rückzug wird ihre Handlungsfähigkeit beeinträchtigen."

Die USA forderten Österreich um mehr Bemühungen zur Koordinierung mit den Vereinten Nationen auf. "Wir haben die Österreicher darum gebeten, sich mit der UN über das Timing ihres Abzuges abzustimmen, damit die UN einen Ersatz für ihre Truppen finden kann", sagte die Sprecherin des US-Außenministerium, Jen Psaki, am Donnerstagabend in Washington.


Größere Kartenansicht

Karte: Der Stützpunkt Quneitra

Israel reagierte offiziell mit Bedauern. "Wir wissen den langjährigen Beitrag Österreichs und seine Verpflichtung zum Schutz des Friedens in Nahost zu schätzen. Gleichzeitig bedauern wir diese Entscheidung und hoffen, dass sie nicht zu einer weiteren Eskalation in der Region führen wird", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem.

Informell zeigte sich die israelische Regierung verärgert über den Abzug. "Das sendet eine sehr problematische Botschaft an die israelische Öffentlichkeit", zitierte der britische "Guardian" einen hochrangigen Offiziellen.

Im Zuge der Kampfhandlungen sind auch auf israelisch kontrollierter Seite einige Granaten eingeschlagen, darunter beim Logistik-Bataillon der UNO-Truppen im unmittelbar an der Waffenstillstandslinie gelegenen "Camp Ziouani", berichtete Bauer. Das Camp wird von indischen Blauhelmen betrieben, es halten sich aber auch einige Österreicher dort auf. Laut Bauer waren aber auch sie nicht in unmittelbarer Gefahr, es habe sich bei den Einschlägen um keinen gezielten Beschuss gehandelt. Erst vergangene Woche hatte Verteidigungsminister Klug im derStandard.at-Gespräch von einer "angespannten, aber beherrschbaren Lage" am Golan berichtet. (APA/red, derStandard.at, 6.6.2013)