Der türkische Premier Erdogan ist ein Reformer, aber mit einem ganz starken autoritären Zug. Es ist eine nach innen und außen gerichtete Mischung aus türkischem Nationalismus, Islamismus und Paternalismus.

Erdogans Welt in Zitaten: Beim Spatenstich für die dritte Brücke über den Bosporus sagte er, die Eroberung von Konstantinopel mit seiner tausend Jahre alten christlichen Hochkultur im Jahre 1453 durch die Osmanen habe ein "dunkles Kapitel" beendet und ein "Zeitalter der Erleuchtung" eingeleitet. Das ist ungefähr so, als würde heute ein spanischer Premier dasselbe über die Vernichtung der Hochkultur der Inkas und Azteken durch die Konquistadoren sagen.

Seinen Landsleuten will er den Alkohol vermiesen, und zwar mit der Begründung: Ein Gesetz, das auf den Geboten der islamischen Religion beruhe, verdiene mehr Respekt als das bisherige, das auf "zwei Trinker" (einer davon offenbar der Republikgründer Kemal Atatürk) zurückgehe.

Die vor allem durch diese Bevormundung ausgelösten Massendemos der Mittelschicht quittierte Erdogan mit der Ankündigung, die Geheimpolizei werde schon mit den Rädelsführern "abrechnen". Und, weil sich die Demos durch Twitter ausbreiteten: "Für mich sind die sozialen Medien die schlimmste Bedrohung der Gesellschaft."

So wie Erdogan stellen sich aber sehr viele die Gesellschaft nicht vor. In der Türkei nicht und in Europa schon gar nicht. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 4.6.2013)