Das Festival "Kvir_Feminist_Actziya" (6. bis 9. Juni, im TÜWI) vernetzt queer-feministische Positionen über nationale Grenzen hinweg.

Foto: kvir_feminist_actziya 2013

Den einen Feminismus, die eine Frauen- bzw. Queerbewegung gibt es nicht - darauf haben vor allem Feministinnen hingewiesen, deren Herkunft als nicht dem "Westen" zugehörig gedeutet wird. Die Thematisierung von Hierarchien und Differenzen - und damit einhergehend auch die Neupositionierung der Kategorie "Frau" - gehört zu den wichtigsten Auseinandersetzungen in den feministischen Debatten der letzten Jahrzehnte. Wiederholt steht dabei die Dominanz und Definitionsmacht weißer, westlicher Feministinnen zur Diskussion.

Auch das Festival "Kvir_Feminist_Actziya", das heuer zum ersten Mal stattfindet, wirft einen kritischen Blick auf das, was üblicherweise als "der Westen" und "der Osten" bzw. "der Südosten" gelabelt wird. Auf dem Programm stehen Diskussionen, Workshops, Ausstellungen und Performances von und mit Aktivistinnen, Künstlerinnen, Musikerinnen, politische Bildnerinnen und anderen VertreterInnen aus (Süd-)Osteuropa.

"Eastern Europe for Dummies"

"Was im deutschsprachigen Raum unter Feminismus verstanden wird, sind Konzepte, die für sich oft beanspruchen, die einzig Richtigen und Gültigen zu sein", sagen Masha Streltsova und Rada Đuričić vom Organisationsteam des Festivals gegenüber dieStandard.at. "Wir haben oft erlebt, dass queer-feministische Initiativen, Aktionen und Gruppen aus Ost- bzw. Südosteuropa nur dann wahrgenommen werden, wenn sie bestimmten westlichen Vorstellungen davon entsprechen, wie (Queer-)Feminismus zu sein hat. Ein Beispiel: Pussy Riot aus Russland. Abseits des kurzlebigen Interesses von Presse und politischen Institutionen haben sich zahlreiche queer-feministische Solidaritätsbewegungen in der 'westlichen' Welt gebildet. Auffallend ist dabei, dass nur ein bestimmter Ausschnitt des Pussy-Riot-Kollektivs rezipiert wird. Pussy Riot umfasst sehr viel mehr Personen als die drei verhafteten Aktivistinnen, und ihre Aktionen umfassen weitaus mehr als das berühmt-berüchtigte 'Punkgebet'."

"Primitiver Osten", "progressiver Westen"

Wie antirassistische und postkoloniale feministische TheoretikerInnen vielfach analysiert haben, ist eine solche selektive Wahrnehmung strukturell eingebettet in die Erzählung vom "primitiven, repressiven Osten" und dem "progressiven, feministischen Westen" - Stereotypen, wie sie gerade in Debatten über Gewalt und Repression wiederholt und festgeschrieben werden.

Neben der Legitimierung rassistischer Diskurse über die angebliche Rückständigkeit des "Ostens" würden Initiativen wie Pussy Riot aber selbst in queer-feministischen westlichen Szenen zum konsumierbaren Gut werden, kritisieren Streltsova und Đuričić. Denn aus dem widerständigen Image des Punk-Kollektivs lässt sich buchstäblich Kapital schlagen, wie etwa die Berichte über den Versuch, Pussy Riot als Marke zu etablieren (siehe das Geschäft mit Sturmhauben, T-Shirts, Postern etc.), nahelegen.

Queer und migrantisch

Ein anderer Kritikpunkt der Festivalmacherinnen betrifft das Auseinanderdividieren identitärer Zugehörigkeiten. "Im deutschsprachigen Mainstream-Feminismus werden 'queer' und 'migrantisch' leider viel zu oft als zwei voneinander getrennte Kategorien verhandelt", sagen Masha Streltsova und Rada Đuričić. "Das bekommen wir als queere Migrant_innen immer besonders dann zu spüren, wenn Kategorien wie 'nicht-heterosexuell' und 'migrantischer Hintergrund' einander gegenübergestellt werden und so getan wird, als ob es keine Überschneidungen zwischen den beiden gäbe. Oder schlimmer noch, wenn beide als marginalisierte Standpunkte gegeneinander ausgespielt werden."

Plattform für Selbstrepräsentation

Gerade in einer Stadt wie Wien mit einem hohen Bevölkerungsanteil an MigrantInnen aus dem (süd-)osteuropäischen Raum fehle es an Plattformen zur Selbstrepräsentation. Die Motivation zur Festivalgründung lag also auf der Hand: "Die Idee ist ursprünglich von uns selbst, einigen queeren Migrantinnen aus Südosteuropa, gekommen, weil wir uns um eine eigene Stimme und die Selbstrepräsentation in queeren und feministischen Zusammenhängen bemüht haben. Außerdem wollten wir auch zeigen, dass es viele tolle Kollektive und Projekte aus dem (süd)osteuropäischen Raum gibt und auch schon immer gab."

In diesem Sinne repräsentiert "kvir", eine kritische Abwandlung des Begriffs "queer", die Auseinandersetzungen um Repräsentation, Differenzen und die darin eingebetteten Machtverhältnisse, wie sie bei "Kvir_Feminist_Actziya", aber auch innerhalb des Organisationskollektivs selbst Thema sind. Masha Streltsova und Rada Đuričić: "Wir hoffen, mit dem Festival auch die Personen anzusprechen, die sich sonst von den 'westlichen' queer-feministischen Konzepten nicht angesprochen fühlen." (viyu, dieStandard.at, 3.6.2013)