Ich bin am 27. Mai 2013 abends per Fax von den Anwälten der Hypo-Alpe-Adria-Bank informiert worden, dass die Bank eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung von mir mit folgendem Inhalt einfordert: "Priv.-Doz. Mag. Dr. Franz R. Hahn,
p.A. Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, verpflichtet sich hiermit, unwiderruflich es ab ­sofort zu unterlassen, den ­wirtschaftlichen Ruf der HBInt und/oder der HBA dadurch zu schädigen, dass er unwahre Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen der HBInt und/oder der HBA gefährden, wie insbesondere  1aIch bin mir sicher, dass die Töchter sozusagen so eine Grundhässlichkeit haben, dass sie schwer so her­zurichten sind, dass jemand auf sie reinfällt' sowie ähnliche und/oder sinngleiche Behauptungen; für jede einzelne ­Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung eine Vertragsstrafe in der Höhe von EUR 10.000,– (Euro zehntausend) zu bezahlen; usw. usw."  (Ende des Zitats).

Sollte ich dieser Aufforderung nicht unverzüglich nachkommen, "wäre die Bank gezwungen, ihre rechtmäßigen Ansprüche (inklusive öffentlichen Widerrufs) unter Beschreitung des Rechtsweges durchzusetzen" .

Um zu verstehen, worum es hier geht, zitiere ich auch den Eingangssatz des an mich (und an das Wifo) gerichteten Fax: "Wir wurden darüber informiert, dass Sie am 14. 5. 2013 in der Sendung ORF-Report auf die Frage, wie sinnvoll es sei, die Töchter der BHInt  1aschön herzurichten, um sie gewinnbringend an den Mann zu kriegen', Folgendes geantwortet haben:  1aIch bin mir sicher ...'" (siehe oben, Ende des Zitats).

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass mich der ORF-Reporter gefragt hat, ob die Töchter "gewinnbringend"  an den Mann zu kriegen, also zu verkaufen sind (ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Frauen für die vermeintlich sexistisch konnotierte Beantwortung dieser Frage entschuldigen, aber ich empfand im gege­benen Kontext eine gewisse Verpflichtung dem Reporter gegenüber, im Textbild zu bleiben).

Gewinn im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen ist definiert als Verkaufserlös minus Kapitaleinsatz (bzw. im konkreten Fall geht es um das Unternehmensvermögen minus Unternehmensschulden, also das sogenannte Reinvermögen bzw. Marktwert des Kapitaleinsatzes des Unternehmenseigners). Die Hypo Alpe Adria ist notverstaatlicht worden, weil sie ansonsten insolvent und damit ein Konkursfall geworden wäre (d. h., die Bank hätte/hat ohne Staatshilfe ein negatives Reinvermögen ausweisen müssen bzw. wäre/ist wegen Mangels an Eigenkapital unter besondere, aufsichtsrechtliche Kontrolle gestellt worden).

Ein insolventes, konkursreifes und/oder schwer sanierbares Un­ternehmen kann man nach den simplen Gesetzen der Wirtschaftslogik nicht mit "Gewinn"  verkaufen (das weiß jede Handelsschülerin und jeder Handelsschüler). Könnte man es mit Gewinn verkaufen, dann wäre es nicht in­solvent bzw. schlecht geführt, oder der Verkäufer hätte das Glück, einen Volltrottel mit viel Geld zur Hand zu haben, dem man das konkursreife bzw. schlecht ­gemanagte bzw. schwer sanierbare Unternehmen mit "Gewinn"  (d. h., der Erlös übersteigt den geleisteten Kapitaleinsatz des Verkäufers) "andrehen"  kann. Diese Volltrottel, die auf ein erkennbar konkursbedrohtes, schwer sanierbares, aber "schön hergerichtetes"  Unternehmen dadurch "reinfallen" , dass sie dem Verkäufer einen "gewinnbringenden Preis"  dafür bezahlen, sind aber im Wirtschaftsleben eine sehr, sehr seltene Spezies.

Für ein konkursbedrohtes bzw. schlecht geführtes bzw. schwer sanierbares Unternehmen kann man allerdings einen positiven Verkaufserlös erzielen, der jedoch den geleisteten Kapitaleinsatz des Verkäufers in der Regel deutlich unterschreitet. Erlöse durch Verkauf von konkurs­bedrohten, schwer sanierbaren Un­ternehmen können daher die Kapitalverluste des Verkäufers nur minimieren, aber nie in einen Gewinn verwandeln. Das ist auch im Fall der Hypo Alpe Adria so (das wissen wir Steuerzahler leider nur allzu gut).

So viel zum Wahrheitsgehalt meiner Aussage im ORF-Report. Die Anwälte (oder das Hypo-Alpe-Adria-Management?) verwechseln hier offensichtlich Erlös mit Gewinn (vielleicht war das auch das Problem des Hypo-Managements in der Vergangenheit).

Diese ungerechtfertigte Abmahnung durch das Hypo-Management ist nicht nur ärgerlich, sondern eine Zumutung. Ich empfinde Intention und Inhalt (insbesondere die ultimative Aufforderung, eine von der Bank formulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unverzüglich zu unterschreiben) als nicht zu akzeptierenden Eingriff in das staatsbürgerliche Grundrecht auf Meinungsfreiheit, vor allem aber in das Grundrecht auf freie Meinungs­äußerung der Wissenschaft.

Ich werde daher der eingangs ­zitierten Aufforderung der Bank nicht nur wegen der fachlich ­widersinnigen Begründung nicht nachkommen, sondern vor allem auch deshalb nicht, weil ich das Ansinnen der HBA – einer mit Steuergeld (auch mit meinem) vor dem Konkurs geretteten, notverstaatlichten Bank –, einem um ­Objektivität bemühten Wissenschafter (und nicht einem Politiker oder einem Journalisten, die zu dieser Causa in der Öffentlichkeit oftmals noch viel expliziter Stellung beziehen) mit einer Klage inklusive unverschämt hoher Vertragsstrafen zu drohen, als moralisch zutiefst verwerflich verurteile.

Sollte dies tatsächlich einer gerichtlichen Klärung bedürfen (was ich mir in einem demokratischen Rechtsstaat nicht vorstellen kann), sehe ich dieser gelassen entgegen. (Franz R. Hahn, DER STANDARD, 1./2.6.2013)