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Kraft-Kinz: Gläserne Decke bei der Bildung.

Foto: APA/Fohringer

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Vielkritisierte neue Staatsbürgerschaftsnovelle: Auch aus Sicht des Vereins Wirtschaft für Integration sind die Einkommensgrenzen zu hoch.

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STANDARD: Sie stehen dem Verein Wirtschaft für Integration vor, der in einer vergangene Woche lancierten Petition Wahlrecht und andere politische Rechte auch für Ausländer einfordert. Warum?

Kraft-Kinz: Weil es ein zentrales Thema ist: Wer an der Gesellschaft nicht teilnimmt, kann nicht mitgestalten - ich hingegen will, dass In- und Ausländer, die sich engagieren wollen, auch die Möglichkeit dazu haben: als aktive Wähler, aber auch passiv, als Mandatare. Derzeit ist die österreichische Gesellschaft zu sehr auf Einheimische ausgerichtet. Von Einwanderern fordern wir Integration, dabei müsste es um Partizipation gehen.

STANDARD: Um Partizipation statt Integration?

Kraft-Kinz: Nein, um Partizipation als Weiterentwicklung des Integrationsgedankens. Wer fähig ist, zu partizipieren, ist integriert.

STANDARD: Voraussetzung dafür wäre, Einwanderern früher als derzeit politische Rechte zu verleihen.

Kraft-Kinz: Stimmt, daher unsere Forderung nach Wahlrecht für alle, die länger als drei Jahre in Österreich wohnen - auch im Bund. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage der Wertschätzung.

STANDARD: Hätte ein solches Wohnsitzwahlrecht nach drei Jahren auch einen ökonomischen Effekt?

Kraft-Kinz: Ja, einen positiven. Österreich würde sich dadurch im Wettbewerb um Migranten weltweit abheben. Doch leider haben wir für Derartiges in Österreich noch zu viel Angst.

STANDARD: Woher kommt die?

Kraft-Kinz: Aus dem Misstrauen gegen Neues. Wir sind eine biedermeiereske Gesellschaft, die seit 1919 aus dem Vertrag von St. Germain ein Trauma mit sich trägt. Damals schrumpfte Österreich von einem Vielvölkerstaat zu einem Mini-Binnenland. Damit endete die Internationalität der Monarchie, so schwierig sie war. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir heute in unserer durch Einwanderung vielfältigen Gesellschaft eine einseitige politische Vertretung aufrechterhalten, stammt daher.

STANDARD: Der Zugang zu politischen Rechten wird auch durch die Staatsbürgerschaftsnovelle nur wenig erleichtert werden. Die hohen Einkommenshürden werden nicht gesenkt. Was sagen Sie dazu?

Kraft-Kinz: Ich bin sehr für die schnellere Einbürgerung. Die hohen Einkommensgrenzen hingegen sehe ich kritisch. Hoffentlich entsteht aufgrund unserer Petition hier eine Diskussion.

STANDARD: Sollte eine schnellere Einbürgerung für alle potenziellen Einwanderer offenstehen?

Kraft-Kinz: Absolut. Die Aussicht darauf sollte Anreiz geben, in Österreich Wohnsitz zu begründen, mitzuarbeiten und Steuern zu zahlen.

STANDARD: Die Rot-Weiß-Rot-Card hätte viele qualifizierte Migranten nach Österreich bringen sollen. Gekommen sind wenige. Woran lag das?

Kraft-Kinz: Am vorzuweisenden Einkommen. Auch hier sind die Grenzen viel zu hoch: 2000 Euro brutto monatlich, das ist elitär. So sah es vor wenigen Tagen übrigens auch Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer im Gespräch mit uns. Die Einkommensgrenzen müssen herabgesetzt werden. Das wäre kein Sozialdumping, sondern der Versuch, im internationalen Wettbewerb jungen Leute eine Chance in Österreich zu eröffnen.

STANDARD: Wen genau braucht die österreichische Wirtschaft?

Kraft-Kinz: Vor allem Fachkräfte. Hier ist der Bedarf aus Einheimischen und in Österreich lebenden Migranten nicht abdeckbar.

STANDARD: Weshalb?

Kraft-Kinz: Wegen des österreichischen Bildungsproblems. Die gläsernen Decken wölben sich über Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien nach wie vor, einheimischen wie migrantischen. Zu viele Talente kommen in Österreich nicht zum Zug, denn wir geben im Schulsystem der Vielfalt keine Chance.

STANDARD: Gilt das auch für die sprachliche Vielfalt? In der Petition treten Sie für die Förderung der Mehrsprachigkeit ein.

Kraft-Kinz: Die Förderung der Mehrsprachigkeit ist in Schulen wie im öffentlichen Dienst Gebot der Stunde. Immer noch wird vielerorts alles außer Englisch und Französisch, die sogenannten Elitesprachen, abgewertet. Das ist inakzeptabel. Mein Ziel ist eine Gesellschaft, in der sich in der U-Bahn unter Deutschsprechenden kein Misstrauen verbreitet, wenn eine Mutter mit ihrem Kind Serbisch spricht. Sondern wo, wie in New York, niemand reagiert, wenn ich mit Frau und Kindern Deutsch rede.

STANDARD: Was ist eigentlich Raiffeisens Beitrag zum Thema Integration?

Kraft-Kinz: Raiffeisen in Wien hat 2008 als erste Bank begonnen, sehr offensiv um Kunden und MitarbeiterInnen mit Migrationsgeschichte zu werben und trägt als Hauptsponsor die Infrastruktur des Vereins Wirtschaft für Integration. (Irene Brickner, DER STANDARD, 1.6.2013)