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Die Partei des israelischen Finanzministers Jair Lapid hat sich in Sachen Wehrpflichtreform durchgesetzt. Künftig müssen auch Strengreligiöse einrücken – allerdings gibt es Ausnahmen.

Foto: Reuters/Ratner

Nun hat die Regierung eine Neuregelung gefunden.

"Es wird die Gleichverteilung der Last geben, oder diese Regierung bricht auseinander", hatte Israels Finanzminister Jair Lapid zu Wochenbeginn gedroht – und es ist ihm offenbar gelungen, seinen ­zögernden Koalitionspartner, Premier Benjamin Netanjahu, ein­zuschüchtern. Die "Gleichverteilung"  ist in Israel das Codewort für den Militärdienst der Strengreligiösen, das Lieblingsthema Lapids, das viel dazu beigetragen hatte, dass die liberale Partei des Neopolitikers bei den Wahlen im Jänner auf den zweiten Platz kam.

In einer ersten Abstimmung hat die Regierung nun den Plan der Lapid-Partei gebilligt, der die heikle Frage endlich lösen soll. Während grundsätzlich alle jungen Frauen und Männer in Israel mit 18 Jahren zu einem mehrjährigen Wehr- oder einem Ersatzdienst verpflichtet sind, haben rund 50.000 strengreligiöse Männer, die an Religionshochschulen eingeschrieben sind, de facto einen Dispens.

In Lapids Lager spricht man von einem "historischen" Gesetzesentwurf, der "dem Phänomen der Drückebergerei zum ersten Mal klare Grenzen setzt". Kritiker beanstanden aber, dass auch das neue Gesetz keine Gleichverteilung bringe, weil es eine Ausnahmeregelung festschreibe.

Freistellung für Hochbegabte

Von den rund 8000 strengreligiösen Burschen, die jährlich das 18. Lebensjahr erreichen, sollen 1800 "Hochbegabte" für das Thora-Studium freigestellt werden. Zudem gibt es für eine Übergangsperiode bis 2016 eine komplizierte Formel, die praktisch dazu führt, dass kein Strengreligiöser über 19 Jahre gegen seinen Willen eingezogen werden kann.

Umgekehrt empören sich strengreligiöse Politiker darüber, dass Thora-Studenten, die sich drücken, mit Gefängnisstrafen bedroht werden. In früheren Konzepten war bloß von finanziellen Sanktionen für die Studenten und Hochschulen die Rede gewesen, etwa von der Streichung von Sozialleistungen und Subventionen. "Lapid sendet eine Botschaft des Hasses und benützt das Thema der Armee nur zur Konfrontation", sagte der Abgeordnete Israel Eichler von der Partei Thora­-Judentum.

Auch Verteidigungsminister Moshe Yaalon von Netanjahus Likud-Partei hat Bedenken: "Leider verstehen nicht alle, wie heikel es ist, eine seit 65 Jahren bestehende Realität zu ändern – wenn man damit droht, dass Thora-Studenten ins Gefängnis gehen, erreicht man das Verkehrte."

Lapid scheint mit dem energischen Vorstoß indes ein wenig von dem schlechten Eindruck abgelenkt zu haben, den er als Finanzminister macht. Zuletzt war der große Wahlgewinner in einem Popularitätstief, weil er angesichts eines klaffenden Budgetlochs durch angekündigte Steuerhöhungen und Sozialkürzungen gerade seine Kernwähler im Mittelstand bitter enttäuscht hat. (Ben Segenreich aus Tel Aviv /DER STANDARD, 31.5.2013)