Joseph S. Blatter und Silvio Berlusconi verbindet mehr als nur die Leidenschaft für den Fußball. Nein, des Bunga Bunga ist der 77-jährige Schweizer nicht verdächtig, auch wenn sich der Präsident des internationalen Fußballverbandes (Fifa) als Mann bezeichnet, der die Frauen mag. Aber gleich seinem um sechs Monate jüngeren Jahrgangskollegen aus Italien weiß Blatter, dass nur weitgehend unantastbar bleibt, wer Macht in Händen hält. Kein Wunder also, dass die von Blatter selbst unter dem Druck der Öffentlichkeit in die Wege geleitete Reform der als korrupt geltenden Fifa wohl nur ein Reförmchen wird, weil der Beschluss so zentraler Punkte wie eines Alterslimits für Funktionäre und einer Amtszeitbeschränkung verzögert wird. Vielleicht so lange, dass Blatter im Sommer 2015 für eine fünfte vierjährige Amtszeit kandidieren kann.

Zeit seines Funktionärsdaseins umwabern Blatter Korruptionsgerüchte. Strafrechtlich Relevantes konnte ihm bisher nie nachgewiesen werden. Und als in einem Fall deutlich wurde, dass er von Schmiergeldzahlungen innerhalb der Fifa zumindest Kenntnis gehabt haben musste, wollte er "die Vergangenheit nicht mit den Maßstäben von heute"  gemessen sehen. Welchen Maßstab ein anderer Präsident, etwa der Franzose Michel Platini, anlegte, will Blatter lieber nicht wissen. Solange er selbst auf dem Zürichberg in der Fifa-Straße 20 residiert, bleibt sein Versprechen totaler Transparenz ein Lippenbekenntnis. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 31.5.2013)